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Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Titel: Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Osterhammel , Emily S. Rosenberg , Akira Iriye
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erfolglosen Versuchen, Zugang zum Land zu bekommen, denn seit den frühen Jahren des Tokugawa-Shōgunats hatte sich Japan von der Außenwelt abgeschottet; einzige Ausnahme war ein japanischer Außenposten an der Südspitze bei Nagasaki.
    Perrys Drohbesuch markierte den Beginn einer fünfzehn Jahre dauernden Krise des Tokugawa-Regimes (der sogenannten bakufu oder Militärregierung); benannt war das Shōgunat nach dem Kriegsherrn Tokugawa Ieyasu, dem letzten in einer Reihe starker Männer, der 1603 nach einem beharrlichen Feldzug der alten Monarchie, die durch Bürgerkriege und feudalen Zwist zerrüttet war, eine neue Art von Vereinbarung aufzwang. Die kaiserliche Dynastie, die mitsamt ihrem schwächlichen Hofstaat in Kyoto weiterbestand, lieferte so etwas wie den ideologischen Kitt, mehr aber auch nicht. Die Politik wurde vom Shōgun in Edo (dem späteren Tokio) bestimmt, einem Amt, das 250 Jahre lang in den Händen einer einzigen Familie bleiben sollte. Das Herrschaftsgebiet war in ungefähr neunzig autonome Bezirke oder han unterteilt, die jeweils von einem Fürsten ( daimyō ) und der Klasse der Militär- und Beamtenaristokratie regiert wurden, den Samurai, die Waffen tragen und von den Kaufleuten und Bauern sichtbare Gesten der Unterwürfigkeit einfordern durften. Blutsverwandte der Tokugawa-Dynastie und diejenigen Fürsten, die sich schon vor 1603 mit den aufstrebenden Shōgunen zusammengetan hatten, die fudai («Erbvasallen»), kontrollierten die Regionen im Landesinneren im Umkreis von Edo und Kyoto.
    Diejenigen, die sich nach 1603 unterworfen hatten, die tozama oder außenstehenden Fürsten, bekamen rund vierzig Prozent der Ländereien weiter nördlich oder südlich davon zugeteilt. Als Gegenleistung für ihre lokale Autonomie mussten die Fürsten enge Familienmitglieder dauerhaft an den Hof des Shōguns in Edo abstellen und selbst die Hälfte des Jahres mit vielen ihrer Samurai dort residieren. Diese großen und häufigen Prozessionen der Fürsten zwischen ihren Lehen und der Hauptstadt füllten die Straßen Japans und machten Edo zu einem Zentrum für Handel, persönliche Dienstleistungen und Konsumgüter mit einer lebendigen Theater- und Vergnügungskultur, das mit seiner halben Million Einwohnern Paris durchaus Konkurrenz machte (wenn auch nicht London und Konstantinopel). Diese Residenzen in der Hauptstadt verschlangen bis zur Hälfte der Einnahmen, welche die Lehnsherren bei ihrer Bauernschaft eintreiben konnten. Doch die folgenreicheren Dinge passierten in den weiter entfernten Bezirken wie Tosa, Choshu und Satsuma, wo man sich mit europäischen Technologien und Verwaltungsmethoden beschäftigte und sie nachahmte, ohne dass man mit dem Widerstand einer konservativen Hofbürokratie rechnen musste, die in China entsprechende Initiativen lähmte.
    Wo sich reformorientierte Fürsten durchsetzen konnten, wie etwa Mori Yoshichika in Choshu oder Shimazu Nariakira in Satsuma, bereiteten sie ihre Fürstentümer darauf vor, die konservativen Kräfte des Shōgunats herauszufordern. Die Bemühungen, ihre eigenen Gebiete zu modernisieren, gingen einher mit schärferem Widerstand gegen die Bedrohung von außen.
    Doch der amerikanische Besuch 1853 warf eine ganz grundsätzliche Frage auf: Musste sich Japan der westlichen Welt öffnen oder sollte es sich abschotten und auf eine konservative Behauptung seiner Isolation und seiner ganz eigenen Ständeordnung setzen? Es kristallisierte sich eine Spaltung heraus zwischen den konservativen Kräften des Shōgunats einerseits, die das Ancien Régime zu bewahren versuchten, und den ungeduldigen Nationalisten der äußeren han andererseits, die der Überzeugung waren, das Kaiserreich müsse sich modernisieren, um Druck von außen zu widerstehen und ein Regime extraterritorialer Besitzungen zu verhindern, wie es die Briten und Franzosen in China gerade durchsetzten. Die Tagebücher des frischgebackenen britischen Diplomaten Ernest Satow zeigen, wie diese Konfrontation immer gewalttätiger wurde, als die jungen, ungeduldigen Samurai dazu übergingen, politische Führer zu ermorden, die in ihren Augen zu nachgiebig gegenüber den Ausländern waren.[ 77 ] 1867 hatten die Reformer aus Choshu, Satsuma und Tosa die Vorherrschaft am Hof errungen. Nachdem sie mit ihren Truppen Richtung Edo vorgerückt waren, zwangen sie den Shōgun, seine Ämter niederzulegen und die Regierungsmacht an den jungen Meiji-Kaiser zu «restaurieren», der fortan ihre Politik vertreten sollte. Auf der

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