Geschichte des Gens
Herstellung von RNA verwendet wird, die ihrerseits als Vorlage oder Schablone (template) für die Anfertigung von Proteinen dient. Dieses im Grundsatz heute als richtig erkannte Schema stieß zunächst auf wenig Widerhall, weil viele Bio-Chemiker der Überzeugung waren, dass raffinierte und kompliziertere Wechselwirkungen nötig seien, um die Proteine in all ihrer Spezifität synthetisieren zu können. Außerdem gab es keine Methode, um den Vorschlag mit der RNA zu prüfen.
Dies änderte sich aber im Jahre 1954, als Paul Zamecnik den Wissenschaftlern die Möglichkeit lieferte, die Synthese von Proteinen im Reagenzglas (in vitro) zu studieren. Mit diesem »Invitro-System«, das man sich wie ein bei aller Reproduzierbarkeit geheimnisvoll bleibendes Kochrezept vorstellen kann, konnte im Verlauf der fünfziger Jahre gezeigt werden, dass es nicht eine, sondern mehrere Sorten von RNA gab, die auf dem Weg zum Protein nötig wurden, ja dass es sogar für jede Aminosäure eine eigene RNA geben musste, mit deren Hilfe sie verknüpft wurden.
Das Verständnis der Proteinsynthese ist dem Zusammenwirken von vielen Wissenschaftlern zu verdanken, die ihrerseits in Gruppen arbeiteten, die als interdisziplinäre Teams agierten - eine Praxis, die heute selbstverständlich ist, die sich damals aber erst entwickeln musste. Die Molekularbiologie erlebte mit ihrem Aufstieg auch eine Umwandlung des gesamten Wissenschaftsbetriebs. Während früher hervorstechende Persönlichkeiten den Ton angaben und die Forschung mehr oder weniger aristokratisch funktionierte, übernahmen nun Teams und Kooperationen die bestimmende Rolle.
Natürlich lebt die Wissenschaft trotz der zunehmenden sozialen Komponente von den Ideen individueller Köpfe, und wenn man gefragt wird, wer die herausragende Rolle in den Jahren gespielt hat, als es um das Verstehen der Proteinsynthese ging, kann man nur auf Francis Crick hinweisen, den Mitentdecker der Doppelhelix. 1957 erschien Cricks legendäre Arbeit On Protein Synthesis, in der ihm die entscheidende Einsicht durch den Begriff der Primärstruktur eines Proteins gelingt. Damit meinte er nichts anderes als die Reihenfolge der Aminosäuren in einem Protein, die er direkt mit der Reihenfolge in einem DNA-Molekül verknüpfte und als von ihr bestimmt ansah.
Dies ist der Inhalt seiner berühmten Sequenzhypothese, die sich bald als richtig herausstellte und durch die Entschlüsselung des genetischen Codes im Verlauf der sechziger Jahre so eindeutig bewiesen und fest zementiert wurde wie ein Naturgesetz. Die Spezifität der DNA steckt in der Sequenz ihrer Bausteine, und diese Hypothese besagt zusammen mit dem genetischen Code, dass nicht die fertige Gestalt, sondern nur die Primärstruktur eines Proteins genetisch festliegt. Was die fertige Gestalt angeht, so machte Crick - auf der Basis vieler physikalischchemischer und biologischgenetischer Kenntnisse - den Vorschlag, dass Proteine ihre eigentliche (dreidimensionale) Konfiguration aus der Primärstruktur spontan annehmen, und zwar tun sie dies durch die Wechselwirkung mit dem Zellmilieu, in dem sie hergestellt werden und auftreten.
Crick ging noch einen Schritt weiter und verkündete das bis heute eindrucksvoll klingende Dogma der Molekularbiologie , das den Weg festlegt, den die Information in einer Zelle nehmen kann. Sie fließt von der DNA des Gens über einen Zwischenträger, die RNA, in ein Protein - und von hier gibt es für die Information keinen Weg zurück. Das Gen ist in dieser Perspektive leicht als der Informationsträger der Zelle zu identifizieren, und das Bild macht einsichtig, warum die alte Einheit der Vererbung mit der Einheit der Mutation nicht mehr übereinstimmt. Für eine Variation reicht nämlich ein einzelner Gen-Baustein aus, durch den die Spezifität der DNA verändert wird (ähnliches trifft für die Rekombination zu), während die Vererbung auf ganze Gene (und damit auf längere DNA-Stücke) zielt.
Als Cricks Ideen über die Proteinsynthese publiziert und experimentell abgesichert werden, wird tatsächlich entdeckt, dass ein einzelner mutierter Genbaustein in einem Protein vererbbare Auswirkungen nach sich ziehen kann. Das Protein heißt Globin; allerdings wird die Kette von Aminosäuren, die Biochemiker mit diesem Namen bezeichnen, nicht für sich allein, sondern nur im Verbund mit drei anderen ähnlichen Kettenmolekülen wirksam. Nur beim Zusammenfinden von vier Polypeptiden entsteht ein funktionierendes Protein, in diesem Fall das
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