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Geschichte des Gens

Geschichte des Gens

Titel: Geschichte des Gens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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transkribierte RNA-Molekül unterschiedlich spleißen, und zwar wird entweder die eine oder die zweite C-Region entfernt. Durch den an diesem Beispiel entdeckten Vorgang des alternativen Spleißens können zwei verschiedene reife - in ein Protein überführbare - mRNA-Moleküle entstehen; die Zelle trifft dabei ihre Wahl sicher in Abhängigkeit von äußeren Signalen (aus dem Milieu des Körpers).
    inzwischen hat sich gezeigt, dass dieser Mechanismus zur Erzeugung von Vielfalt nicht auf das Immunsystem beschränkt bleibt, sondern im Leben der Zellen komplexer Organismen weit verbreitet ist. Dabei wandelt sich das alte, eher stabile Gen zu einer dynamischen Einheit. Aus dem ursprünglich festen Stück DNA ist ein dynamisches Mosaik geworden, das sich in immer neuen Kombinationen zeigt, wenn wir hinschauen. Die Frage, was ein Gen ist - im Sinne des unveränderlichen Vorhandenseins eines greifbaren Objektes in einer Zelle -, muss erneut von Grund auf bedacht werden, und dabei ist es nötig, wirklich alle Bewegungs- und Veränderungsmöglichkeiten einzubeziehen.
Die Beweglichkeit der Elemente
    Die Entwicklung der Gentechnik - sprich: die Möglichkeit, DNA zu rekombinieren und zu klonieren - verwandelte die stabilen Gene der klassischen Vererbungsforschung, die von Perlen auf einer Kette sprach, in die beweglichen Elemente der modernen Genomforschung. Die Beweglichkeit hat dabei mindestens zwei Dimensionen. Da ist zum einen die natürliche Dynamik, die in der Entwicklung eines Organismus zum Tragen kommt und zuerst an den Genen für Antikörper entdeckt wurde. Sie gibt es im Embryo noch gar nicht, denn sie werden in den ausgewachsenen (erwachsenen) Zellen erst durch Umgruppierungen und Neuverknüpfungen von Genelementen geschaffen. Da ist zum anderen die von Menschenhand erzeugbare Dynamik, wobei diese Menschenhand mit den Werkzeugen der Gentechnik ausgestattet ist. Sie erlauben das Übertragen von Genen - verstanden als DNA-Moleküle von nicht zu geringer Länge - von einer Zelle in eine andere. Dabei wird das anvisierte DNA-Fragment erst aus seinem alten Verband gelöst (ausgeschnitten) und danach in einen neuen Kontext eingefügt. Schon in den siebziger Jahren konnten Gene aus höheren Organismen - etwa Gene, die über Wachstumsfaktoren oder Hormone (Insulin, Somastotatin) informierten - in Bakterien überführt werden, und 1980 klappte auch der umgekehrte Vorgang, indem ein Gen aus einem Bakterium in eine Pflanze eingeschleust wurde, die danach als transgener Organismus bezeichnet wurde. Wichtig in allen Fällen war, dass die übertragene genetische Information erstens ihre biologische Funktion erfüllte und zweitens an die nächste Generation weitergegeben - also vererbt -wurde. In den folgenden Jahren wurde es dank verbesserter Details in der biochemischen Handhabung der genetischen Moleküle und Zellen immer leichter, transgene Lebensformen -zumeist Mäuse - zu generieren, was nicht nur nützliche Anwendungen etwa bei der Suche nach Medikamenten nach sich zog, sondern auch eine neue Sicht auf das Gen ermöglichte. Hatten sich die Genetiker in den letzten Jahren auch nach und nach angewöhnt, von Mäusegenen oder von Pflanzengenen zu sprechen, so stellte sich nun mit den Erkenntnissen aus Versuchen mittransgenen Lebensformen heraus, dass Gene in ihrer Wirksamkeit nicht auf einen Organismus beschränkt bleiben, sondern eine Grundlage allen Lebens darstellen. Dies macht natürlich sofort Sinn, wenn man sich die Sichtweise der Evolution zu eigen macht, die eine weitere Dimension - die historische - anzeigt, in der die Gene ihre Beweglichkeit unter Beweis stellen müssen.
    Was immer Gene in einem jetzt, hier und heute lebenden Organismus sind, müssen sie im Laufe der Evolution geworden sein. »Wir sind, was wir geworden sind«, wie die Zunft der Historiker betont, wenn sie versucht, die politische Gegenwart eines Landes oder einer Gesellschaft zu erklären. Und Gene sind ebenfalls, was sie geworden sind, wie die Biologen verstehen sollten, wenn sie versuchen, die aktuellen Lebensformen zu erklären. So diskret und klar umrissen Gene für einen Molekularbiologen sind, der wohl definierte DNA-Fragmente meint und mit ihnen arbeitet, so durchgängig und kontinuierlich ist die Evolution mit ihnen umgegangen. Und vielleicht versteht derjenige am besten, was ein Gen ist, der es als ein molekulares Werkzeug der Evolution betrachtet, das sich selbst in dem Vorgang verändert, den es zu bewirken hilft. Gene sind ganz sicher aus

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