Geschichte des Gens
entgangen, daß die vorgeschlagene spezifische Paarung unmittelbar einen möglichen Mechanismus für die Verdopplung des genetischen Materials nahelegt.« Watson ist 25 Jahre alt, als er gemeinsam mit Crick die Doppelhelix entdeckt, und erahnt, dass sich solch ein wissenschaftlicher Erfolg nicht wiederholen lässt. Er lenkt seine Arbeitskraft deshalb in neue Richtungen und revolutioniert in den kommenden Jahrzehnten die Molekularbiologie auf zwei anderen Ebenen, der des Lehrers und der des Organisators. Watson schreibt als Professor in Harvard das erste Lehrbuch über Die Molekularbiologie des Gens (ursprünglich plante er einen anderen Titel, nämlich Das ist Leben! ) . Und er beginnt, die Molekularbiologie im großen Stil zu organisieren und ihr Einzugsgebiet zu vergrößern. Er wird Direktor des Cold Spring Harbor Laboratoriums auf Long Island, stellt einige der besten Forscher der Welt ein und beauftragt sie, die Molekularbiologie des Menschen und seiner Evolution zu entwerfen. Sie sind dabei auf dem besten Wege.
DNA
Der Stoff, aus dem die Gene sind, wurde zum ersten Mal von dem in Basel geborenen Biochemiker Friedrich Miescher bearbeitet. Er forschte in einem Laboratorium der Universität Tübingen, als er sich Gedanken »Über die chemische Zusammensetzung der Eiterzellen« machte, wie der Titel seiner Arbeit lautete, die 1871 in der Zeitschrift Hoppe-Seylers Medizinisch-Chemische Untersuchungen erschienen ist. Eigentlich wollte Miescher wie alle seine Kollegen Proteine untersuchen, als ihm auffiel, dass es neben diesen höchst bedeutsamen Substanzen noch einen bislang unbekannten Zellbestandteil gibt, der sich vor allem in den Kernen befindet. Er wurde neugierig, präparierte die gewünschten Objekte aus Eiterzellen - wissenschaftliches Tun ist manchmal nicht sehr angenehm, und man kann sich seinen Untersuchungsgegenstand nicht immer aussuchen - und stellte zum ersten Mal im Jahre 1869 fest, dass es sich um Säuren handelt. Miescher hatte damit die Nukleinsäuren entdeckt, wie man mit dem lateinischen Wort für Zellkern nucleus sagte. Im nächsten Schritt erkannten Biochemiker, allen voran der Heidelberger Albrecht Kossei, dass diese Säuren - anders als etwa die Salzsäure - in eigenständige Einheiten zerlegbar sind. Zum Zweck des Zerlegens musste man die aus Zellen extrahierten Nukleinsäuren erst tagelang kochen und dann zahlreichen chemischen Behandlungen unterwerfen. Am Ende konnte man vier Bausteine identifizieren, die als Stoffklasse Nukleotide heißen und wiederum aus kleineren chemischen Gruppen bestehen. Eines dieser Moleküle ist ein Zucker, und die erste Analyse ließ zwei Sorten erkennen, von denen eine bekannt und eine unbekannt war. Der bekannte Zucker hatte natürlich einen Namen - und zwar Ribose -, und der unbekannte musste eine eigene Untersuchung über sich ergehen lassen. Er sah nicht sehr viel anders als die Ribose aus; genauer gesagt fehlte dem Zucker ein Sauerstoffatom, um Ribose zu sein, weshalb er den Namen Desoxyribose bekam. Mit ihm gab es die Desoxyribonukleinsäure (DNA).
Historisch befinden wir uns in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, und noch lag die biologische Bedeutung der beiden Substanzen im Dunkeln. Heller wurde nur der Blick auf die Komposition der DNA, die als Tetranukleotid gehandelt wurde, weil sie aus vier Nukleotiden bestand, die sich ihrerseits aus einem Zucker, einer Phosphatgruppe und einer von vier Basen zusammensetzten. In der Geschichte der Wissenschaft fing man nach und nach an, sich Gedanken über die Struktur der DNA zu machen (immer noch ohne Kenntnis ihrer biologischen Rolle). Zahlreiche Modelle wurden zum Beispiel von dem Amerikaner Phoebus Levene vorgeschlagen, die alle davon ausgingen, dass die Nukleotide kettenartig zusammenhängen und lange, fadenartige Moleküle bildeten. Während des Zweiten Weltkriegs wurde erkannt, dass DNA die infektiösen Eigenschaften
von Bakterien verändern kann, und zwar so, dass sie vererbt werden. DNA musste also zur Erbsubstanz gehören, was die Aufmerksamkeit für dieses bis dahin eher stiefmütterlich behandelte Molekül drastisch erhöhte. Neben den Chemikern kümmerten sich auch Kristallographien um seine Konfiguration, und es waren vor allem die Röntgenaufnahmen, die Rosalind Franklin von DNA-Kristallen machen konnte, die den Weg zu der berühmten Doppelhelix öffneten. Dazu trug auch die chemische Entdeckung bei, die Erwin Chargaff zu verdanken ist und seinen Namen trägt. Die von ihm gefundenen
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