Geschichte des Gens
fesselt seine Aufmerksamkeit unmittelbar nach der Entdeckung der DNA-Struktur. Ein Aspekt der Doppelhelix besteht darin, dass sie wie eine Kette aufgebaut ist und ihre Glieder (Bausteine) wie Perlen aufgereiht sind. Als Crick und Watson auf diese Lösung stießen, machte ebenfalls im britischen Cambridge der Biochemiker Frederick Sanger eine wunderbare Entdeckung. Sanger stellte fest, dass die Proteine einer Zelle genauso gebaut sind wie Gene - nämlich kettenförmig. Für Crick steht damit nicht nur endgültig fest, dass es einen Code geben muss, also eine Vorschrift, nach der die Reihenfolge der DNA-Bausteine in die Reihenfolge der Proteinbausteine übertragen wird. Für ihn steht auch fest, dass dieser Code zu entschlüsseln ist, und er macht sich an die Arbeit.
Das erste Problem ist dabei offensichtlich: Da es in der DNA vier und in den Proteinen zwanzig Bausteine gibt, kommt weder eine Eins-zu-eins- noch eine Zwei-zu-eins-Übertragung in Frage - da gäbe es vier oder höchstens 16 Möglichkeiten. Also stellt Crick die Hypothese auf, dass es drei Bausteine der DNA sind, die einen Baustein der Proteine festlegen. Der Nachweis für diesen Triplett-Code, wie er heute heißt, gelingt Crick mit einer Methode, die genau einen Baustein aus der DNA entfernen kann. Er sagt voraus, dass bei ihrer ein- oder zweimaligen Anwendung die Herstellung des Proteins abbricht, während sie nach dem dritten Mal wieder beginnt. Genau dies wird beobachtet, und nun setzt das Rennen unter den Biochemikern ein, um die Details zu erkunden, was bis 1966 gelingt. Crick beteiligt sich daran nicht direkt. Er unternimmt überhaupt nicht mehr viel Experimente nach dem oben beschriebenen Erfolg und beschließt statt dessen, sich verstärkt einer Theorie der Molekularbiologie zuzuwenden. Seine berühmteste Idee nennt er das zentrale Dogma der Molekularbiologie. Es besagt vor allem, dass die Information, die von der DNA ausgeht und über eine oder mehrere Zwischenstufen zuletzt in ein Protein gelangt, nicht mehr aus diesem Molekül heraus kann, sobald sie dort angekommen ist. Unter Information versteht Crick dabei die präzise Reihenfolge (Sequenz) der Bausteine in der DNA, die vorgibt, in welcher Reihenfolge die Bausteine in den Proteinen anzulegen sind. Mit Cricks Arbeiten (und der vieler Kollegen) geht in den sechziger Jahren das Zeitalter der Klassischen Molekulargenetik zu Ende.
JAMES DEWEY WATSON
Der 1928 in Chicago geborene James D.Watson hat als i8jähriger Erwin Schrödingers Was ist Leben? gelesen und träumt seitdem davon, diese Frage zu beantworten. Für ihn ist die Sache nach der Lektüre sonnenklar: Leben - das ist das Wechselspiel der Gene. Gene bestehen aus DNA, also lohnt es sich zu wissen, wie DNA aussieht und funktioniert. Wie findet man das heraus? Ganz einfach. Man schließt sich einer Forschergruppe an, die über Methoden verfügt, die Struktur von Molekülen zu bestimmen, und wendet deren Verfahren auf die DNA an. Gesagt - getan. Watson schaut sich um und findet, was er sucht, im britischen Cambridge. Hier bemühen sich unter anderem Rosalind Franklin und Francis Crick um die Struktur der DNA, die zuerst in eine Kristallform gebracht und dann mit Hilfe von Röntgenstrahlen untersucht wird. Auf den ersten Blick hat Watson nur eine minimale Chance, doch er nutzt sie, weil er sieht, woran es bei der Konkurrenz hapert, nämlich an der Bereitschaft, über den disziplinaren Zaun zu schauen und an die Biologie der DNA zu denken. Frau Franklin konzentriert sich allein auf die Qualität der Kristalle und verliert dabei die Grundfähigkeit der DNA aus den Augen, sich verdoppeln zu können. Die DNA muss aus zwei Teilen bestehen, die sich ergänzen. Das sagt auch Crick. Doch wie sind ihre Bausteine angebracht? Um diese Frage zu klären, entschließt sich Watson, es ganz einfach zu versuchen - nämlich mit Modellen aus Karton. Er schiebt unermüdlich Pappstücke auf seinem Schreibtisch umher und probiert es solange, bis er erkennt, dass sich die vier Bausteine Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin als zwei Paare gleicher Größe anordnen lassen, als AT und GC. In dem Augenblick ist die Doppelhelix geboren, die längst zur Ikone unseres Zeitalters geworden ist. Watson publiziert dieses Ergebnis zusammen mit Crick, und die beiden schließen ihre Beschreibung der DNA-Struktur mit einem inzwischen legendären Satz, mit dem das berühmte briti-
99 sehe Understatement auch in die Wissenschaft einzieht: »Es ist unserer Aufmerksamkeit nicht
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