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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Europa noch irgendwo sonst entwickelte sich der Kaufmannskapitalismus in klarer Distanz zu den Trägern der politischen Macht, nirgendwo kam es in jenen Jahrhunderten zu einer deutlichen
Ausdifferenzierung
von Wirtschaft und Staat. Sowohl in China wie in Europa (am wenigsten in Arabien) fanden sich engste Verflechtungen zwischen der wirtschaftlichen Macht der Kaufleute und der politischen Macht der Obrigkeiten. Staatsbildung und Marktbildung lagen überall im Gemenge. Aber in Europa war das politische System in sichvielfältig und geradezu fragmentiert, während in China ein zentralisiertes Reich bestand. Die harte, häufig kriegerische Konkurrenz zwischen Stadtstaaten, Fürstentümern, Territorialstaaten und anderen politischen Einheiten war ein zentraler Teil der europäischen, nicht aber der chinesischen Konstellation. Gleichzeitig besaßen die europäischen Städte viel bürgerschaftlich-politische Autonomie, die den chinesischen Städten fehlte. Aus der europäischen Konstellation ergab sich folgerichtig, dass die politisch Herrschenden, in Konkurrenz miteinander, die Wirtschaftspotentiale in ihren Herrschaftsgebieten förderten, während dieses Motiv die Beamtenregierungen Chinas weniger bewegte und im 15. Jahrhundert weiter zurücktrat. Während in Europa die den Kapitalismus tragenden Kaufleute, zumindest durch ihre Spitzenvertreter, direkten Einfluss auf die Politik ausübten, zum Teil durch Symbiose mit der Herrschaft in den Stadtstaaten und Bürgerstädten, zum Teil durch enge Verbindungen zu finanzierungsbedürftigen politischen Machthabern, zum Teil auch durch formelle Selbstorganisation (Gilden), blieben die Kaufleute in China wie übrigens auch in Arabien und Indien im Vorhof der Macht und viel weniger in der Finanzierung der Staatsbildung engagiert als in Europa. So erklärt sich, dass im Endeffekt trotz vieler Friktionen und Ausnahmen die Politik in Europa die Dynamik der Kaufleute und die kapitalistische Akkumulation entscheidend förderte, während die chinesische Politik sowohl die kaufmännische Dynamik wie auch die Entstehung großer Kapitalansammlungen zunächst ein Stück weit erlaubte und unterstützte, dann aber stark und misstrauisch genug war, beides zu begrenzen und schließlich, unter neuen innen- und außenpolitischen Bedingungen, auszubremsen.[ 34 ]
    Bisher wurde im Wesentlichen die Herausbildung des Kapitalismus im Handel, besonders im Fernhandel, geschildert, in dem große Kaufleute und ihre Unternehmungen die entscheidende Rolle spielen. Während es sich als unmöglich herausgestellt hat, Anfänge klar zu datieren, erwiesen sich das 10. bis 14. Jahrhundert in China, das 7. bis 11. Jahrhundert in Arabien und das 12. bis 15. Jahrhundert in Europa als Phasen beschleunigten Ausbaus. Wer in marxistischer Tradition vom Kapitalismus erstsprechen will, wenn kapitalistische Prinzipien
die Produktion
steuern und die Organisation der dort stattfindenden Arbeit prägen, tendiert dazu, die voranstehend behandelten Phänomene als vorkapitalistisch einzuordnen.[ 35 ] Ich teile diese Sichtweise nicht. Der intensive Marktbezug und die starke Gewinnorientierung der Kaufleute, die relative Selbständigkeit der kommerziellen Aktionen und Institutionen, die Bedeutung von Investition und Akkumulation mit Einsatz von Krediten und Orientierung am Profit, die Herausbildung der Unternehmung (jedenfalls in Europa) und schließlich die dynamische Ausstrahlung der kapitalistischen Entwicklung über den Bereich des Fernhandels hinaus, ansatzweise auch in die Produktion (jedenfalls in Europa) – all das rechtfertigt und erzwingt die Kategorisierung der Phänomene als kapitalistisch im Sinne der anfangs entwickelten Definition. Auch bestanden kausale Zusammenhänge. Der Kaufmannskapitalismus (oder Handelskapitalismus) jener Jahrhunderte brachte Kapitalien, Verfahren und Verbindungen hervor, die in späteren, die Produktionssphäre einbeziehenden Varianten des Kapitalismus wirksam wurden.
    Doch ist klar, dass es sich in vielen Hinsichten nur um Ansätze zum Kapitalismus und nicht um Kapitalismus im Vollsinn der anfangs entwickelten Definition handelte. Dass in aller Regel die kapitalistische Durchorganisation der Produktion nicht erfolgte, weder in der Landwirtschaft noch im Gewerbe, ist in der Tat als empfindliche Grenze zu diagnostizieren. Die mehrfach festgestellte Zurückhaltung wichtiger Akteure

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