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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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17. Jahrhundert zum Zweck des Kolonialhandels in mehreren Ländern entstanden, vor allem in den Niederlanden, England und Frankreich. Andererseits entstanden neuartige und bis heute wirksame Institutionen und Praktiken des Finanzkapitalismus. Mit Effekten handelnde Börsengibt es beispielsweise in Antwerpen seit 1531, in Amsterdam seit 1611/12 und in London seit 1698.
    Während bis ins 16. Jahrhundert Handelsunternehmen vornehmlich als Personengesellschaften existiert hatten, die eine kleine Zahl relativ selbständig arbeitender und rechnender Kaufleute jeweils für sehr begrenzte Zeit zusammenführten, entstand mit der VOC eine Kapitalgesellschaft. Ihr stattliches Kapital von 6,45 Mio Gulden wurde von 219 Teilhabern, jeweils mit beschränkter Haftung, aufgebracht. Diese erhielten regelmäßig Dividenden (18 % im jährlichen Durchschnitt), aber besaßen wenig Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft. Die VOC blieb bis 1799 zusammen, während ihre Teilhaber wechselten. Dazu waren sie in der Lage, weil sie ihre Anteile an den neu entstehenden Börsen handeln konnten. Die Leitung der Gesellschaft lag in der Hand von Direktoren, die die ausgedehnte, vertikal integrierte und viele Außenstellen (vor allem in Asien) betreibende Organisation mit Hilfe eines ausgeklügelten Systems von Ausschüssen, eines systematischen Berichtwesens von Amsterdam aus leiteten, mit Hilfe eines Zentralbüros, das bald 350 Angestellte beschäftigte. Die Gesellschaft betrieb den Ankauf, den Transport und den Verkauf einer Vielzahl von Waren. Sie weitete sich aber auch punktuell zum Produktionsunternehmen aus, indem sie sich beispielsweise in Indien Salpeterfabriken und Seidenspinnereien angliederte.
    In all diesen Hinsichten erscheint die VOC als ungemein modern. Was sie jedoch von späteren multinationalen Großunternehmen des 19. und 20. Jahrhunderts unterschied, war ihr Charakter als Monopolunternehmen mit weitreichenden quasistaatlichen Kompetenzen. Die Regierung der niederländischen Generalstaaten verlieh ihr das Recht, sämtliche niederländische Handelsgeschäfte östlich des Kaps der Guten Hoffnung zu betreiben, und überdies die Befugnis, «Krieg zu führen, Verträge zu schließen, Land in Besitz zu nehmen und Festungen zu bauen». Diese Rechte nahm die VOC wahr, oft in bewaffnetem Kampf mit Konkurrenten aus anderen Ländern. Der Übergang zwischen kapitalistischem Geschäft und Kriegführung war fließend. Es gab Jahre, in denen die Gesellschaft offenbar den großtenTeil ihrer Einnahmen aus dem Kapern konkurrierender bzw. feindlicher Schiffe bezog.
    Nicht nur der große Kapitalbedarf und die Komplexität der zu erbringenden Leistungen erklären die Entstehung dieser eigenartigen Organisation. Sie entsprach auch den politischen Bedürfnissen der Regierung in dieser Zeit, da Geschäft, Politik und Gewalt in engstem Gemenge lagen und die scharfe Konkurrenz zwischen den Staaten oft die Konkurrenz zwischen den Unternehmen innerhalb ein und desselben Landes still stellte. Die VOC war als Bündnis von Kaufleuten und Handelsgesellschaften aus allen niederländischen Provinzen auf Druck der Regierung gebildet worden, als Bündelung von Ressourcen im internationalen Wettbewerb und mit anti-spanischer, bald auch antienglischer Stoßrichtung. An anderen Handelsgesellschaften jener Zeit ließe sich ähnliches zeigen, beispielsweise an der viel kleineren englischen East India Company, die zwischen 1600 und 1858 existierte, aber auch an der niederländischen West-India Company und entsprechenden Gründungen anderer, beispielsweise skandinavischer Staaten.[ 39 ]
    Geld-, Wechsel-, Transfer-, Kredit- und Versicherungsgeschäfte gehörten von Anfang an zum Kaufmannskapitalismus dazu und wurden nicht nur von den mit Warenhandel befassten Kaufleuten selbst, sondern seit dem 12. Jahrhundert zunehmend auch von darauf spezialisierten, zugleich international agierenden Banken wahrgenommen, die meist zugleich Depositen entgegennahmen und in offener oder versteckter Form verzinsten (s.o. S. 37). Dabei spielten die Kreditvergabe an Stadtregierungen, Grundherrschaften, Landesherren, Fürsten und Könige bis hinauf zu Kaiser und Papst früh eine wichtige Rolle. So betrieb der aus einer Weber- und Händlerfamilie stammende Augsburger Handelsherr Jacob Fugger nicht nur Warenhandel und Bergbauunternehmen, sondern er betätigte sich

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