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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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und ihrer Regierungen sehr weit oben. Auch christlich-missionarische Zielsetzungen spielten eine Rolle, als Triebkräfte wie als Legitimation der politischen und wirtschaftlichen Expansion. Aber ökonomische Interessen – das Streben nach Reichtum und Profit, die Gier nach Edelmetallen, die Jagd nach Handelsvorteilen, um die scharfe Konkurrenz mit anderen europäischen Mächten zu bestehen – waren entscheidendeAntriebe dieses europäischen Ausgreifens in die Welt. Dementsprechend wurden die großen Expeditionen und Landnahmen im Allgemeinen von selbständig agierenden Konquistadoren, Unternehmern, Kapitänen, Abenteurern und Kaufleuten getragen, die Militärisches mit Kommerziellem verbanden. So nahmen Konquistadoren wie Hernan Cortes vor dem Aufbruch erhebliche Kredite auf, um ihre Schiffe auszurüsten, ihre Waffen zu beschaffen und ihre Leute bezahlen zu können. Ihre drückenden Schulden stachelten sie dann zu immer neuen Raubzügen an. Im Kern der europäischen Expansion in die Welt funktionierte eine dynamische Symbiose zwischen ehrgeizigen Trägern der politischen Macht, berechnenden Finanziers und wagemutigen oder auch bedenkenlosen Abenteurern. Hier zeigt sich eine irritierende Amalgamation von Handel und Krieg, eine aggressive Gemengelage aus Machtstreben, kapitalistischer Dynamik und gesetzloser Gewalt, die historisch nicht zur Regel geworden ist, aber immer wieder auftritt, bis hinein in die Gegenwart.[ 37 ]
    Die Auswirkungen dieser Konstellation auf die Weiterentwicklung des Kapitalismus waren immens. Ein neues Welthandelssystem bildete sich heraus, mit dem westlichen Europa als Zentrum. Das im südlichen Amerika zunächst geplünderte, dann in den dortigen Minen massenhaft ausgebeutete Gold und Silber fand seinen Weg als Zahlungsmittel in den internationalen Handelsverkehr, beschleunigte die Inflation in Europa und endete zum großen Teil in den Tempeln und Palästen Asiens, denn nur so konnten die Europäer, die damals selbst, außer Waffen, nur wenig zu exportieren hatten, was die Inder und Chinesen interessiert hätte, die Dauerzufuhr der asiatischen Luxuswaren nach Europa bezahlen. Die vor allem niederländischen und englischen Handelsgesellschaften, Kaufleute, Reeder und Schiffskapitäne entwickelten den bis ins 18. Jahrhundert kennzeichnenden atlantischen Dreieckshandel: Sie brachten Waren des Massenverbrauchs (vor allem Textilien, Metallwaren und Waffen) aus Europa in Häfen an der afrikanischen Westküste. Von dort transportierten sie Afrikaner als Sklaven nach Amerika, wo sie vor allem in der sich entfaltenden PlantagenwirtschaftBrasiliens, der Karibik und der nordamerikanischen Südstaaten als billige Arbeitskräfte hoch begehrt waren. Schließlich beförderten sie Zucker, Tabak, Baumwolle und andere amerikanische Exportwaren nach Europa, wo sie gewinnbringend verkauft oder weiterverarbeitet wurden.
    Außerdem entwickelte sich ein reger Handel innerhalb Europas, der agrarische Überschüsse, vor allem Getreide, aus Ost- und Ostmitteleuropa in die westlichen Regionen des Kontinents brachte, wo die Urbanisierung voranschritt, Exportgewerbe aufstiegen und die Nachfrage wuchs. Dadurch verschoben sich die Gravitationszentren des Fernhandels innerhalb Europas, das Mittelmeer verlor und der Atlantik gewann an Bedeutung. Entsprechend wanderten die innereuropäischen Leitregionen der kapitalistischen Entwicklung von Norditalien, Oberdeutschland und dem Ostsee-Nordseegebiet zunächst in die Niederlande und dann nach England, so dass nicht mehr Genua und Florenz, Augsburg und Lübeck, sondern zunehmend Antwerpen, dann Amsterdam und schließlich London zu Zentren der Weltwirtschaft wurden. Zweifellos brachte der immer intensivere Fernhandel große Gewinne und erhebliche Nachfragewirkungen hervor: ein entscheidender Motor der exportorientierten Plantagenwirtschaft in den Kolonien wie der Durchsetzung des Kapitalismus in Landwirtschaft und Gewerbe im westlichen Europa.[ 38 ]
2. Aktiengesellschaft und Finanzkapitalismus
    Die Verquickung von Kaufmannskapitalismus und ausgreifender Kolonialisierung gab Anlass zu Innovationen. Einerseits gewann
das Unternehmen
als institutioneller Kernbestandteil des sich konsolidierenden Kapitalismus klareres Profil als jemals zuvor. Die niederländische «Vereinigte Ostindische Kompanie» (VOC) von 1602 war die wichtigste einer langen Reihe von Aktiengesellschaften, die im 16. und

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