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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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gegenüber Kapitalinvestition und -akkumulation stellt eine weitere Grenze dar, so interessant es ist und so sinnvoll es gerade angesichts heutiger Probleme sein könnte, nachzuvollziehen, wodurch diese Zurückhaltung zustande kam. Bedeutete sie doch eine soziale Einbettung und politische Regulierung des Kapitalismus zu Zwecken, die er selbst nicht setzte. Schließlich kann gar nicht entschieden genug betont werden, was in der voranstehenden Darstellung nicht hinreichend klar werden konnte: dass es sich bei den geschilderten Ausprägungen des Kapitalismus um
minderheitliche Phänomene
handelte, während Wirtschaft und Gesellschaft nach nicht-kapitalistischen Prinzipien funktionierten.Insgesamt dominierten in den mittelalterlichen Gesellschaften Subsistenz- und Hauswirtschaft, Interaktionen ohne Marktbezug, nicht-ökonomische Formen von Abhängigkeit und Herrschaft, politisch bedingte und ständische Ungleichheit, nicht-kapitalistische Kulturen, in Europa der Feudalismus. In diesem Kapitel ging es durchweg um Inseln kapitalistischer Entwicklung in einer vorwiegend nicht-kapitalistischen Umgebung. Diese Inseln konnten wieder abbröckeln, wie im chinesischen Fall; teleologische Denkmuster passen nicht. Doch insgesamt sind diese Inseln gewachsen, und die Wirkungen, die von ihnen ausgingen, weiteten sich aus.

III. Expansion
    Bis etwa 1500 trat der Kapitalismus primär als Kaufmannskapitalismus auf, der Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt nur wenig prägte. In den folgenden drei Jahrhunderten fand jedoch eine fundamentale Erweiterung des Kapitalismus statt: als räumliche Expansion im sich neu etablierenden Welthandelssystem; als Grenzüberschreitung in die Sphäre der Produktion hinein; schließlich im Hinblick auf seine gesamtgesellschaftliche Bedeutung, vor allem in den Niederlanden und England. Seine öffentliche Bewertung wandelte sich, vorwiegend zum Besseren. In dieser Phase, die aus europäischer Perspektive als Frühe Neuzeit gilt, wurde eindeutig das westliche Europa zur Leitregion der Kapitalismusgeschichte, wenngleich die globale Verflechtung gleichzeitig zunahm. Der Aufstieg des Kapitalismus, die Machtentfaltung der Territorialstaaten und die in den Kolonialismus mündende europäische Expansion bedingten sich gegenseitig.
1. Geschäft und Gewalt: Kolonialisierung und Welthandel
    Nach Marx ist der Kapitalismus blut- und schmutztriefend zur Welt gekommen, als Folge von Gewalt und Unterdrückung.[ 36 ] Dies ist historisch nur die halbe Wahrheit, aber gleichwohl einezutreffende Beobachtung, wenn man den Zusammenhang zwischen dem Aufstieg des Kapitalismus und der Kolonialisierung bedenkt. Was oft euphemistisch «Zeitalter der Entdeckungen» genannt wird, war in Wirklichkeit ein Zeitalter der teilweise gewaltsamen, teilweise kommerziellen Unterwerfung eines großen Teils der Welt durch europäische Mächte. Portugiesen und Spanier überquerten den Atlantik und plünderten die Schätze der südamerikanischen Reiche, die sie zerstörten, während sie nach Eröffnung der Route um die Südspitze Afrikas den Arabern die Kontrolle des Seewegs nach Asien entwanden und zahlreiche Häfen an den Küsten dieses Kontinents in eigene Stützpunkte umwandelten. Auf den südeuropäischen «Kronkapitalismus» (Reinhard) des 16. Jahrhunderts folgte im 17. Jahrhundert der Kaufmannskapitalismus der Niederländer, die ein Kolonialreich in Südostasien errichteten und mit Franzosen und Engländern um Einfluss in Nordamerika und Afrika stritten. Die Engländer entschieden diesen Kampf für sich und schwangen sich nach zahlreichen Kriegen mit Spaniern und Franzosen im 18. Jahrhundert zur führenden Kolonialmacht auf, die sich mit Hilfe einer riesigen Flotte einträglichen Handel verschaffte, Siedlungen errichtete und zumeist indirekte Formen der Herrschaft ausübte, in Nordamerika anders als auf dem indischen Subkontinent oder in Australien. Andere europäische Länder versuchten mitzuhalten, jedoch insgesamt vergeblich: der Spalt zwischen Westeuropa und dem sonstigen Kontinent wurde tiefer. Um 1500 kontrollierten europäische Mächte etwa 7 % des Territoriums der Welt, um 1775 waren es 35 %.
    Es wäre falsch, diese spektakuläre Expansion primär als Folge des europäischen Kapitalismus zu verstehen. Unter den Triebkräften rangierten die Machtansprüche der sich konsolidierenden Territorialstaaten

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