Geschichte des Kapitalismus
gleichzeitig als GroÃ-Bankier. In dieser Rolle half er, die Wahl, die Kriege und sonstigen Staatsgeschäfte der Habsburger Kaiser Maximilian I. und Karl V. zu finanzieren. Als Kaufmann und Bankier fuhr Fugger nicht schlecht. In seinem letzten Lebensjahrzehnt erreichte seine Unternehmung einen durchschnittlichen Gewinnvon 54 % pro Jahr. Als er 1525 starb, war er wohl der reichste Unternehmer Europas. Auch im England des 17. Jahrhunderts wurden die groÃen Vermögen durch Geldgeschäfte, nicht aber im Warenhandel gemacht.[ 40 ]
Zunehmend verlagerte sich das Zentrum des international dicht vernetzten, in gewisser Hinsicht kosmopolitischen Finanzkapitalismus nach Westeuropa. Die ursprünglich in Italien entwickelten Instrumente des Transfer- und Wechselverkehrs wurden in Antwerpen, Amsterdam und London weiterentwickelt und in der Praxis der immer zahlreicheren Banken den neuen Bedürfnissen angepasst. Dabei wurden private Banken zunehmend von städtischen Banken ergänzt, die seit Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden.
Die Aktien der im Kolonialgeschäft engagierten Monopol-Kompanien stellten einen erheblichen Anteil der an den Börsen gehandelten Papiere. Das Kapital wurde verstärkt zur Ware, und die spekulativen Elemente im Umgang mit ihm nahmen sprunghaft zu. Damit wuchs nicht nur die Aussicht auf spektakuläre Gewinne, sondern auch die Gefahr groÃer Verluste. Beides betraf bald nicht nur eine kleine Zahl von aktiven, professionellen Handelskapitalisten, sondern auch eine zunehmende Zahl von kleineren und gröÃeren Investoren aus breiteren Bevölkerungskreisen, die im Lauf des 17. Jahrhunderts in den westeuropäischen Metropolen lernten, ihr Glück an der Börse zu versuchen, zu wetten, zu investieren und zu spekulieren. Schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatten sich zunächst mehr als tausend Interessenten gemeldet, um sich an der VOC zu beteiligen, nur achtzig davon mit mehr als 10.000 Gulden, die allermeisten mit sehr überschaubaren Summen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kamen die Zeichner von niederländischen Staatsanleihen aus «allen Bevölkerungsgruppen, darunter GroÃbanken, städtische Führungsschichten, Versicherungen, Angehörige der Mittelschicht einschlieÃlich von Akademikern, Beamten und kleinen Rentnern, wohlhabende Bauern und institutionelle Investoren, z.B. Kirchengemeinden und gemeinnützige Stiftungen» (van der Wee). Dem Niedergang der englischen South Sea Company im Jahr 1720 ging eine richtiggehendeSpekulationsmanie voraus. Die britische Regierung hatte der Gesellschaft das Monopol für den Handel mit Südamerika einschlieÃlich aller Rechte in den noch nicht entdeckten Gebieten (!) eingeräumt. Die Ãffentlichkeit erwartete die baldige politische Schwächung Spaniens, und, daraus folgend, riesige Gewinne aus diesem Geschäft. Ein Run auf die Anteile setzte ein. Der Aktienkurs stieg im Zeitraum nur eines Monats von 120 auf 950 Pfund. Breite Bevölkerungsschichten vertrauten ihr Geld der Gesellschaft an und verloren es, als im Sommer die Blase platzte und der Kurs in den freien Fall überging. Sir Isaac Newton gehörte zu den Geschädigten. Er soll gesagt haben: «I can calculate the notions of the erratic stars, but not the madness of the multitude.»[ 41 ] Die gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen solcher Krisen blieben zwar noch sehr begrenzt. Doch über Börse und Spekulation wurden erstmals gröÃere Bevölkerungsschichten ganz praktisch mit den Hoffnungen und Enttäuschungen, Gewinnen und Verlusten bekannt, die der Kapitalismus so reichhaltig bereit hält.
Der Aufstieg der Banken in der Frühen Neuzeit ergab sich nicht nur als Reaktion auf den wachsenden Kreditbedarf des sich ausdehnenden Handels und auf die von ihm ausgehende Nachfrage nach Vermittlungs- und Transferleistungen neuer Art. Vielmehr wurden ihre Dienste erst recht von den Herrschenden angefordert, und zwar sehr früh von den Stadtregierungen, dann aber vor allem von den Regierungen der sich machtvoll etablierenden Territorialstaaten, die für ihre zahlreichen Kriege und ihre wachsenden Repräsentationsbedürfnisse wie auch für den Ausbau ihrer Länder sehr viel mehr finanzielle Mittel benötigten, als ihnen aus eigenen Einkünften zur Verfügung standen. Monarchen und ihre Regierungen nutzten den entstehenden Finanzkapitalismus als Vehikel der
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