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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Kapitalismus außerhalb Europas und zum Teil auch im Osten des Kontinents zur massenhaften
Zunahme unfreier Arbeit
geführt hat. Schon die Ausbeutung der südamerikanischen Silberminen durch Portugiesen und Spanier im 16. Jahrhundert hatte großteils auf Zwangsarbeit basiert, in die einheimische Indianer gepresst wurden, an der sie litten und durch die sie oft umkamen. Die zunächst niederländische, dannportugiesische Kolonie Brasilien war vom späten 16. Jahrhundert bis zum späten 17. Jahrhundert der größte Zuckererzeuger der Welt, primär für den Export nach Europa. Aus der zwischen den Kolonialmächten umstrittenen Karibik wurde zunächst Tabak und dann ebenfalls Zucker in großen Mengen exportiert, z.B. aus Barbados bis in die 1820er Jahre. Die Pflanzer in Virginia und South Carolina verlegten sich auf die Produktion und den Export von Tabak, Reis und Indigo, seit dem späten 18. Jahrhundert vor allem auf Baumwolle. Der massenhafte Anbau dieser Stapelgüter kam als Folge der Kolonialisierung zustande und resultierte vornehmlich aus Initiativen und Investitionen europäischer Kaufleute und Handelsunternehmen sowie – zunehmend – zugewanderter Agrarunternehmer im Land. Das System war ein Produkt des damaligen Kapitalismus.
    Die Produktion erfolgte weitgehend im Plantagensystem, das auch in anderen Weltgegenden, so in Indien, Südostasien und Teilen Afrikas über die Jahrhunderte zur Anwendung kam. Plantagen waren landwirtschaftliche Großbetriebe, die sich auf die Erzeugung hochwertiger Stapelgüter für den Export spezialisierten, nicht selten in Monokultur. Der in ihnen nötige Kapitaleinsatz war auch in den damaligen Kolonien erheblich. Der Wert einer mittelgroßen Zuckerrohrplantage mit 240 ha und 200 Sklaven wurde in Jamaika 1770 mit 19.000 Pfund angegeben. 37,5 % des Kapitals entfielen auf Sklaven, 31,5 % auf das Land und 21 % auf die Zuckerrohrmühle. Die Gewinne sollen am Anfang bis zu 50 % betragen haben, im 18. Jahrhundert pendelten sie sich bei 5 bis 10 % ein.
    Angesicht der Knappheit und mangelnden Eignung einheimischer Arbeitskräfte wurden von europäischen und nordamerikanischen Sklavenhändlern vom frühen 16. bis zum 19. Jahrhundert zwischen 11 und 12 Millionen Afrikaner und Afrikanerinnen nach Amerika verkauft. Davon erhielten Westindien 48 %, Brasilien 38 % und die südlichen Regionen der (späteren) USA knapp 5 %. Der bei weitem größte Teil von ihnen landete zumindest zuerst in Plantagen, andere dienten als Haussklaven, Handwerker oder in anderen, auch wechselnden, aber vom Besitzer bestimmten Tätigkeiten.
    Neben den Sklaven arbeiteten auf den Plantagen, vor allem in den südlichen britischen Kolonien des 17. Jahrhunderts, zahlreiche «indentured servants», Vertragsknechte, die sich, beispielsweise als Gegenleistung für ihre kostenlose transatlantische Überfahrt aus Europa, für fünf bis zehn Jahre zu Arbeitsdiensten verpflichtet hatten, unfreie Arbeiter auch sie. Andere Arbeiter erhielten Lohn oder Gehalt auf vertraglicher, kündbarer Basis. Das galt besonders für die Aufseher, die auf den Plantagen sehr zahlreich waren, um die harte Disziplin der meist in
gangs
organisierten Arbeitskräfte zu garantieren, die oft bis an ihre Grenzen ausgebeutet und abgenutzt wurden. Die Plantagenwirtschaft war typischerweise strenger Kalkulation und zweckrationaler Arbeitsorganisation verpflichtet, doch zugleich hatte sie etwas vom Raubbau an sich. Denn angesichts des Überflusses an Land und solange arbeitsfähige Sklaven billig zu haben waren, legte sie in beiden Hinsichten jedenfalls in den Anfangsphasen keinerlei Gewicht auf Nachhaltigkeit.
    Aus kapitalismushistorischer Perspektive sei zweierlei betont. Zum einen führte die Plantagenwirtschaft exemplarisch vor, dass der sich durchsetzende Kapitalismus die Sphäre der Produktion durch Nachfrage und Investitionen, Arbeitskräfterekrutierung und Leitung fundamental umgestalten kann, ohne seine wichtigsten Prinzipien – in diesem Fall das Prinzip des freien Tausches und die Warenförmigkeit – konsequent in die Organisation der Arbeit umzusetzen. Denn die Sklaven wurden zwar in der Phase der Versklavung, des Transports und des Verkaufs an den neuen Eigentümer in extremer, sie als Menschen entwertender Weise zur Ware gemacht, die zwischen dem Sklavenjäger, Sklavenhändler

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