Geschichte des Kapitalismus
Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats von 1893. Unterstützend wirkten oft die groÃen Banken, die nun anders als früher massiv in die Industrie investierten und eng mit einzelnen Industrieunternehmen zusammenarbeiteten, wobei die Verflechtung über Aktienbesitz und die wechselseitige Vertretung in den Aufsichtsräten probate Mittel darstellten und zu einer intensiven Vernetzung von Industrie- und Bankkapital führten, ohne dass man â anders als oft angenommen wird â von der Herrschaft der einen Seite über die andere hätte sprechen können. In der Folge kam es zu einer präzedenzlosen Zusammenballung von Macht und Reichtum in der Hand einiger weniger GroÃindustrieller, besonders in den USA, wo Rockefeller â der reichste Mann der Welt mit einem Vermögen von etwa 330 Milliarden Dollar (Dollar im Wert von 2008) â, Carnegie, Vanderbilt, Duke, Stanford und andere schon von Zeitgenossen kritisch-polemisch als «robber barons» bezeichnet wurden. Einige dieser GroÃunternehmen konzentrierten sich, wie beispielsweise die 1902 gegründete British-American Tobacco Corporation, auf das grenzüberschreitende Geschäft und entwickelten multinationale Strukturen. Die meisten der GroÃen waren funktional hochgradig integriert und produktmäÃig diversifiziert: Sie vereinigten insich, ganz oder teilweise, die Funktionen der Rohstoffversorgung, der Produktion und der Weiterverarbeitung wie des Vertriebs; zugleich produzierten sie ganze Paletten unterschiedlicher Güter und Dienstleistungen. Sie fassten also mit organisatorischen Mitteln zusammen, was in anderen Fällen und früher in selbständigen, stärker spezialisierten und durch Marktbeziehungen miteinander verbundenen Unternehmen bearbeitet worden war.
In der Konsequenz entstanden hochkomplexe, systematisch gegliederte, aufwändig koordinierte GroÃstrukturen mit zunehmend akademisch qualifiziertem, professionellem Leitungspersonal. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert waren sie vertikal integriert, zentralisiert und sehr hierarchisch, nach 1945 im Westen eher dezentralisiert und als Föderationen halb autonomer Einheiten gestaltet. Insgesamt handelte es sich um eine tiefgreifende Formveränderung des Kapitalismus. Die einstmals eindeutiger dominierende Koordination durch Marktmechanismen wurde nun ungleich stärker als früher durch Koordination mit organisatorischen und quasi politischen Mitteln ergänzt. Man hat vom «Organisierten Kapitalismus» gesprochen, in dem jedoch, trotz aller Bündnisse und monopolistischen Tendenzen, harte Konkurrenz auch zwischen den Riesenunternehmen weiterhin stattfand und zur gegenseitigen Existenzgefährdung führen konnte. Die GroÃunternehmen blieben zwar relativ zu den viel zahlreicheren kleineren und mittleren Unternehmen überall in der Minderheit. Doch sie waren ungemein gewichtig. 1962 verfügten die 50 gröÃten amerikanischen Industrieunternehmen über ein Drittel, die 500 gröÃten zusammen über zwei Drittel des gesamten gewerblich-industriellen Kapitals des Landes. Sie wurden übrigens durchweg von weiÃen, vorwiegend protestantischen Männern mit Herkunft aus (zumindest) der Mittelschicht und mit (zumindest) College-Abschlüssen geleitet.[ 73 ]
Der Aufstieg des Managerkapitalismus ist von groÃen Hoffnungen und groÃen Befürchtungen begleitet worden. Beide haben sich in der Regel als übertrieben herausgestellt.
Man erhoffte sich von ihm â aufgrund der möglich werdenden Streuung des Eigentums und dessen abnehmender Bedeutung für die Rekrutierung der Unternehmensleitungen â einStück Demokratisierung. Einerseits haben die Streuung des Aktienbesitzes, seine gewachsene Attraktivität auch für kleine Anleger und seine Bedeutungszunahme bei der Absicherung gegen Lebensrisiken und bei der Vorsorge fürs Alter in der Tat die gesellschaftliche Verankerung des Kapitalismus erheblich verstärkt und verbreitert â und das Leben der Vielen noch eindeutiger als früher mit dem Auf und Ab des kapitalistischen Wirtschaftens verknüpft, man denke an die verbreitete Altersvorsorge über Pensionsfonds, die zu den gröÃten Akteuren auf den Finanzmärkten gehören. Andererseits hat zwar das Kriterium «Eigentum an den Produktionsmitteln» für die Rekrutierung und den Aufstieg von Unternehmensleitern an Bedeutung verloren, und die typischen
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