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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Personengesellschaft verfasste Unternehmen überschaubar und im Griff des Eigentümer-Unternehmers, der sich gern als «Herr im Haus» mit umfassenden Befugnissen verstand. Dass der Boss Kapitalist und Unternehmer zugleich war, hatte für ihn legitimatorische Vorteile. Der Führungsanspruch des Unternehmers konnte mit Verweis auf das letztlich zu tragende Risiko des Kapitalisten, der Gewinnanspruch des Kapitalisten mit dem Hinweis auf die Arbeit des erfolgreichen Unternehmers gerechtfertigt werden.
    Die Unternehmer der frühen Industrialisierung waren fast überall mit ihrer sozialen Umwelt aufs Engste verbunden, vor allem über ihre Familien. Das Gründungskapital wurde häufig im Familien- und Verwandtenkreis aufgebracht. An der Geschichte des internationalen Bankhauses Rothschild, an der engen Kooperation der Siemens-Brüder bei der Etablierung ihrer Unternehmen in Berlin, London und Petersburg oder an den Verwandtschaftsnetzen der vor allem Salz fördernden und vertreibenden Unternehmer im südwestchinesischen Zigong lässtsich für das 19. Jahrhundert beispielhaft zeigen, wie der Zusammenhalt der Unternehmerfamilien zur Lösung von Managementproblemen, zur Herstellung von grenzüberschreitenden Geschäftsverbindungen und zur Vernetzung mit relevanten Sozialmilieus benutzt wurde: die Familie als Voraussetzung und Mittel des Markterfolgs. Wirtschaftliches und kulturelles Kapital wurde innerhalb der Familie weitergereicht: Familienbetriebe resultierten oft aus Vererbung und zielten auf diese ab. Diese Erwartung hat nachweislich viele Eigentümer-Unternehmer zu zukunftsorientierten Investitionen motiviert. Sie waren meist energische, kühl rechnende und ihre Vorteile rücksichtslos durchsetzende Bürger – typischerweise Männer, selten nur Frauen –, die ihre Konkurrenten auszustechen und ihre Arbeiter auszunutzen verstanden. Doch ihre enge Familienbindung gab ihren Anstrengungen, ihrem Kampf mit den Konkurrenten, ggf. auch ihrer Ausbeutung der Arbeiter zusätzlichen Sinn, über das reine Gewinnmotiv hinaus. Wie wenig dieses verabsolutiert wurde, zeigte sich in Situationen, in denen Familienunternehmer auf an sich mögliche Expansionsschritte mit der Absicht verzichteten, die Familienkontrolle über das Geschäft nicht zu gefährden, was bei resoluter Kapitalerweiterung mit Hilfe von Bank oder Börse drohte. Allerdings setzten die Zwänge des Marktes solchen Entscheidungen zugunsten nicht-ökonomischer Prioritäten Grenzen. Wer bewusst auf Dynamik verzichtete, riskierte leicht seine geschäftliche Existenz.[ 71 ] Man musste vorwärts drängen, um nicht zurückzufallen; bloße Statusquosicherung erlaubte dieses Konkurrenzsystem mit seinen andauernden Innovationen nicht oder nur in einzelnen Nischen.
    Man erkennt am Zusammenhang von Familie und Geschäft in der Industrialisierung, dass der Kapitalismus keineswegs brandneue gesellschaftliche Institutionen an die Stelle zerstörter älterer setzte, sondern jedenfalls für lange Übergangszeiten die von ihm hervorgebrachten sozialen Arrangements mit vorher bestehenden amalgamierte, sich in älteren Strukturen einnistete und sie nur langfristig veränderte. Insofern wirkte und wirkt er gerade nicht revolutionär. Das erklärt die Vielfalt der Formen mit, in denen der Industriekapitalismus bis heute auftritt.
    Enge Verbindungen zwischen Familie und Unternehmen sind weiterhin häufig, vor allem in kleinen und mittleren («mittelständischen») Unternehmen, die überall auch heute die Mehrheit aller Unternehmen ausmachen und durch Neugründungen ständig ergänzt werden. Selbst in den Leitungsorganen der Großunternehmen, die längst aus Personen- in Kapitalgesellschaften umgewandelt oder sofort in dieser Form gegründet worden waren, blieb der Einfluss der Gründer- und Eigentümerfamilien oft auch noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erheblich, so vor allem in Großbritannien und in Japan.[ 72 ] Doch insgesamt setzte sich im wachsenden Bereich der Groß- und Riesenunternehmen, die in der Regel als Kapitalgesellschaften auf Aktien- oder Anteilbasis (in Deutschland auch seit 1892 als Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbH) verfasst waren, der Manager-Kapitalismus durch. Das heißt, die Leitungsfunktion ging allmählich in die Hand angestellter Unternehmer («Manager») mit beschränkter Haftung

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