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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Eigentümer – «share holder value» – sie zu ihrem eigenen zu machen versprechen und mit großer Härte, professionell und stetig gegenüber den Unternehmensleitungen vertreten.[ 81 ]
    Die Logik der Kapitalmärkte schlägt nun viel direkter auf die Unternehmensstrategien durch als in den Zeiten des ausgeprägten Eigentümer- oder Managerkapitalismus. Der Markt wird noch ubiquitärer und zwanghafter. Der Spielraum der einzelnen Unternehmensleitungen schrumpft. Die Unternehmen werden einander ähnlicher. Der Einfluss der Banken ist rückläufig. Die Vertreter der Fonds kontrollieren, aber werden zugleich kontrolliert; sie fordern permanent Rechenschaft, die sie selbst permanent geben müssen. Sie können jederzeit verkaufen und ihr Portfolio umschichten, das gibt ihnen große Macht. Die Unstetigkeit der Verhältnisse nimmt zu. Durchschnittlich hielt ein Anleger seine Aktien (in New York) in den 1960ern acht bis neun Jahre, jetzt weniger als ein Jahr. Wichtige Entscheidungen werden von Fonds-Direktoren, Investment-Bankern, Maklern, Analysten und Rating-Experten getroffen, die Manager sind, aber oft im Namen der Eigentümer sprechen und deren Rendite-Interessen vertreten. Sie haben meist keine Bindung an die vielen Unternehmen, über die sie, gewissermaßen von außen, mitentscheiden. Deren Inhalte, Traditionen und Akteure interessieren sie wenig. Sie entscheiden auf der Basis gängiger Kennzahlen und empfindlich reagierender Marktsignale, sie orientieren sich eindimensional am Profit, am
share holder value.
Sie müssen es tun, sonst schaden sie ihrem Fond.[ 82 ]
    Es ist in diesem relativ abgehobenen und weiterhin im Kern deregulierten System des Investoren-Kapitalismus weder nötig noch möglich, die sehr abstrakte Tätigkeit dieser «Geldmanager»im Kontext weiterreichender, etwa nicht-ökonomischer Zwecke zu begründen. In einer enthüllenden Szene schildert Tom Wolfes realitätsgesättigter Roman «Fegefeuer der Eitelkeiten», wie der erfolgreiche, selbstbewusste, wohlhabende Investment-Banker und Wallstreet-Makler Sherman McCoy auf die Frage seiner sechsjährigen Tochter hin zu erklären versucht, was er beruflich tut, und zwar so, dass sie es verstehen und bewundern kann. Mit Spannung hört die in einem Club am Strand von Long Island versammelte Familie zu. Der Versuch scheitert, die Tochter bricht in Tränen aus, und es bleibt dem Leser vorbehalten zu entscheiden, ob dies an der Kompliziertheit von McCoys Tätigkeit liegt oder daran, dass sie tatsächlich keinen Sinn besitzt, der über sie und das Ziel der Bereicherung hinausweist.[ 83 ]
    Es kann gar nicht genug betont werden, dass (meist kleinere, aber sehr zahlreiche) Eigentümer-Unternehmen, Manager-Kapitalisten der klassischen Art und der neue Typus des global agierenden Finanzkapitalisten überall nebeneinander und in den verschiedensten Überlappungsformen existieren. Auch der heutige Kapitalismus lässt sich nicht auf Finanzmarkt- oder Investorenkapitalismus reduzieren. Dessen Aufstieg in den letzten Jahrzehnten stellt jedoch eine einschneidende Veränderung des Gesamtsystems dar. Er ist Ausdruck einer erneut vorangetriebenen inneren Ausdifferenzierung der verschiedenen kapitalistischen Funktionen. Er hat die Kapitalbeschaffungs- und Investitionsfunktion weiter separiert, ihre Wahrnehmung darauf spezialisierten, nach der Logik der Kapitalmärkte arbeitenden Funktionsträgern zugeordnet und das Gewicht der Kapitalistenfunktion erheblich verstärkt. Grundsätzliche Investitionsentscheidungen sind aus den Zusammenhängen, in die sie einstmals eingebettet waren, radikaler herausgelöst worden als je zuvor. Die Logik der Märkte hat sich aus der Rücksicht auf nicht-ökonomische Interessen und Orientierungen weiter emanzipiert. Die Entscheidungsstruktur hat die Räume der einzelnen Unternehmen entschieden überschritten, deren Außengrenzen sind fließender geworden. Die Internationale Finanzkrise von 2008, die im Übrigen mehrere Gründe hatte, zeigte unübersehbar,welch selbstzerstörerische und allgemeingefährliche Potentiale in der Dynamik des neuen Investorenkapitalismus stecken, wenn er sich selbst, und das heißt, den Bankern, Investoren, Maklern, Analysten und sonstigen «Geldmanagern» überlassen bleibt.[ 84 ] Es geht darum, neue Formen der Einbettung zu finden. Ob das gelingt, ist noch offen.
4.

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