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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Amerikas und Afrikas. Ein anderes Beispiel stellen die Mietsklaven und -sklavinnen dar, die in den Südstaaten der USA, Lateinamerika und Westafrika von ihren Besitzern an Unternehmer vermietet wurden und bei diesen auf Zeit für Lohn arbeiteten, den sie z.T. an ihren Besitzer abführten. Auch russische Leibeigene beschäftigten sich zeitweise als Lohnarbeiter, im Auftrag ihrer Herrschaft. Im südafrikanischen Diamantenbergbau wurden im 19. Jahrhundert «closed compounds» eingerichtet, in denen Bergleute gefängnisartig eingesperrt wurden: ein Beispiel für die Mischung von Lohn- und Zwangsarbeit. Erst recht ist an die Millionen verlegter europäischer Heimarbeiter zu erinnern, die im Kern Lohnarbeit leisteten, aber dies weiterhin in Form traditioneller Heimarbeit, die im Familienverband und in den eigenen vier Wänden betrieben wurde. Das geschah meist auf dem Lande, aber nach 1870 immer mehr auch in den großen Städten, wo Kleidung und andere Konfektionswaren hausindustriell hergestellt wurden, in der Regel von Frauen und Kindern unter drückender Aufsicht von Zwischenunternehmern und unter bedrückenden Arbeitsbedingungen – man denke an die
sweatshops
in New York, Paris und Berlin um 1900. In Preußen und in anderen deutschen Staaten hielt sich der rechtlich abgesicherte Gesindestatus bis 1918; er begrenzte die Freiheit großer Kategorien landwirtschaftlicher Arbeiter und Hausangestellter; trotzdem wurden die Knechte, Mägde und Dienstboten schrittweise zu Lohnarbeiterinnen besonderer Art. Andere Mischungsverhältnisse wären zu nennen, in denen Lohnarbeit als ein Element u.a. auftrat. Langfristig setzte sich das Lohnarbeitselement jedoch durch.[ 87 ]
    Neben den Riesenbaustellen der Zeit war es vor allem die Fabrik- und Bergwerksindustrie, in der und durch die Lohnarbeit zum Massenphänomen wurde. Dies lag nicht nur daran, dass dieser Bereich während der ersten Phasen der Industrialisierung überproportional wuchs, dass hier Arbeiter in großen Zusammenballungen auftraten, und dass hier die kleinen und großenUnternehmen tätig waren, in denen der weiter vorn beschriebene Übergang vom Eigentümer- zum Managerkapitalismus vor allem stattfand. Es lag vielmehr auch an der Struktur der Industrieunternehmen und ihrem Verhältnis zur sozialen Umwelt. In den Fabriken und Bergwerken fand Lohnarbeit räumlich getrennt vom Haushalt der Arbeitenden statt. Überdies handelte es sich um Unternehmen mit Arbeitsteilung, Trennung zwischen Leitung und Ausführung, zunehmend zweckrationalen Abläufen und entsprechenden Anforderungen an die Disziplin. Dazu gehörte die Anpassung an spezifische Zeitstrukturen. Klarer als je zuvor war damit der Bereich der Arbeit von sonstigen Lebensbereichen abgehoben, räumlich wie zeitlich. Seine kapitalistische Logik konnte sich relativ eigenständig entfalten. Lohnarbeit entwickelte sich hier in relativ reiner Form. Sie wurde als solche erlebbar, und zwar von den Arbeitenden als etwas, was sie ein Stück weit über ihre Spezialisierungen hinweg verband und von der Leitung unterschied. Es konnte erlebt werden, dass zwischen Kapital und Arbeit zwar einerseits Kooperation, andererseits aber auch Gegensätze und Spannungen existierten. Diese drehten sich zum einen um Fragen der Verteilung des erwirtschafteten Produkts (z.B. im Streit um Löhne und Arbeitszeit); zum anderen um Fragen der Macht, der Über- und Unterordnung, beispielsweise bei Kontroversen um die Arbeitsorganisation oder um Autonomie und, später, Mitbestimmung. Natürlich gab es Vorläufer in den wenig zahlreichen frühneuzeitlichen Manufakturen und Bergwerken. Aber in den genannten Hinsichten war die «Große Industrie» der Textilfabriken, Zechen, Stahlwerke und Maschinenbauanstalten etwas Neues, das in Bezug auf Raum, Zeit und erlebbare Strukturen durch eine gewisse Zäsur vom Gewohnten getrennt war. Entsprechend fesselte sie die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen, die von ihr sowohl fasziniert wie auch erschreckt waren. Die «Große Industrie» prägte die entstehende Diskussion über «Kapitalismus» seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dieser Industriekapitalismus prägt auch die Begriffe und Ansichten von Marx.[ 88 ]
    In der ersten Industrialisierungsphase haben Arbeiter und Arbeiterinnen unter härtester Ausbeutung, extrem langen Arbeitszeitenund niedrigen Löhnen, scharfer Disziplinierung, Not und

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