Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
Kinderarbeitsverbot, das z.B. in Preußen seit1839 in mehreren Schritten durchgesetzt wurde und entscheidend zum Verschwinden der
industriellen
Kinderarbeit beitrug.[ 90 ] Auf die Rolle von Öffentlichkeit und staatlichen Interventionen im Kapitalismus geht der folgende Abschnitt ein.
    (3) Schließlich ein Wort zur Arbeiterbewegung. Lohnarbeit ist in zentraler Hinsicht nicht frei. Nicht Freiheit, sondern Unterordnung und Disziplinierung enthält das Lohnarbeitsverhältnis für die Arbeitenden, nachdem es einmal eingegangen worden ist. Man mag es überdies für frivol oder zynisch halten, den Nicht-Besitz an Produktionsmitteln als Ausweis von «Freiheit» zu bezeichnen, wie es manchmal geschieht. Frei aber sind Lohnarbeiter, anders als Zwangsarbeiter, Sklaven, Leibeigene,
indentured labourers,
Gesindepersonen und korporativ eingebundene Handwerksgesellen, insofern sie frei von außerökonomischem Zwang ein Arbeitsverhältnis eingehen und kündigen können, und dieses Arbeitsverhältnis sich auf die Erbringung bzw. Nutzung wenigstens grob umrissener Arbeitsleistungen, nicht aber auf die Indienstnahme der ganzen Person des/der Arbeitenden bezieht. Dies ist das emanzipatorische Element in der Lohnarbeit im Vergleich zu den früher dominierenden Varianten gebundener Arbeit, das man auch dann nicht aus dem Blick verlieren sollte, wenn man zu Recht die konstitutive Asymmetrie im Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis betont, wenn man herausarbeitet, das sich «freie» und «unfreie» Arbeit im Bezug auf viele Alltagswirkungen eher graduell als prinzipiell unterschieden haben, und wenn man weiß, dass die Freiheit von außerökonomischem Zwang sich auch im Zuge der kapitalistischen Industrialisierung nur allmählich durchgesetzt hat und bekanntlich in den Kriegen und Diktaturen des 20. Jahrhunderts durch massenhafte Zwangsarbeit immer wieder zurückgedreht worden ist.
    Unmittelbarer Ausdruck der Freiheit der Lohnarbeiter war und ist ihre Fähigkeit, sich individuell und kollektiv entweder zur Wehr zu setzen oder – viel häufiger – Ansprüche auf Verbesserungen zu formulieren und durchzusetzen. Nur im Kapitalismus konnten autonome Arbeiterbewegungen stark werden, erst im Industriekapitalismus des 19. Jahrhunderts ist dies geschehen,als Lohnarbeit zum Massenphänomen wurde, und zwar nicht nur, aber auch in der Fabrik.
    Die Energie der Arbeiterbewegung entzündete sich, systematisch gesprochen, an drei Herausforderungen: Zum
einen
entstanden die Arbeiterbewegungen aus den Versuchen, sich gegen die Unsicherheiten zu schützen, die mit der Durchsetzung der kapitalistischen Wirtschaftsweise regelmäßig zunahmen. Man denke an Unterstützungskassen, Genossenschaften und
Friendly Societies. Zum anderen
resultierte die Arbeiterbewegung aus den bereits genannten Verteilungs- und Herrschaftskonflikten, die dem Kapital-Arbeit-Verhältnis innewohnen; das zeigte sich an vielen spontanen und organisierten Protesten und Forderungen, vor allem an Streiks.
Schließlich
aber gewannen und gewinnen Arbeiterbewegungen ihre Energie aus der Verteidigung überkommener nicht-kapitalistischer Arbeits- und Lebensformen gegen den sich breit machenden Kapitalismus, etwa in der Verteidigung von Grundsätzen einer volkstümlichen Kultur der «moral economy» (mit ihrer Betonung des Nahrungsprinzips und des «gerechten Preises») gegen die kapitalistische Logik von Individualisierung, Wettbewerb und Wachstum.[ 91 ] In veränderter Form hat sich diese Stoßrichtung lange gehalten, im Grunde bis heute im Kampf um den Mindestlohn: als Verteidigung oder Einforderung gerechter und menschenwürdiger Arbeit gegen ihre Routinisierung, Degradierung, Instrumentalisierung und Kommodifizierung im Kapitalismus, klassisch formuliert in der Entfremdungskritik von Karl Marx.
    Daraus hat sich die wohl wichtigste Protest- und Emanzipationsbewegung Europas im 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelt, die kräftig zur Demokratisierung von Politik und Gesellschaft beitrug, wenn sie sich im 20. Jahrhundert auch in einen (in sich vielfältigen) sozial-demokratischen und einen kommunistisch-totalitären Zweig spaltete, der sich mittlerweile diskreditiert hat. Es war der Druck der Arbeiterforderungen im Betrieb, in den Streiks, durch Gewerkschaften und in der Politik, der zu den genannten Verbesserungen der Arbeitsverhältnisse beitrug und damit, so kann

Weitere Kostenlose Bücher