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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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begründeten absoluten Monarchie als der einzig legitimen, der Natur des Menschen angemessenen Herrschaftsform.
    So weit gingen längst nicht alle katholischen Denker und Politiker. Chateaubriand stellte sich auf den Boden der Charte und verteidigte die konstitutionelle Monarchie als Beschützerin der bürgerlichen Freiheiten, womit er der Position Edmund Burkes ziemlich nahe kam. Der bretonische Priester Félicité Lamenais, ursprünglich ein überzeugter Anhänger von de Maistre und Bonald, entwickelte sich sogar zum Anwalt einer Annäherung der Katholiken an Liberalismus und Demokratie. Er tat dies so konsequent, daß er 1834 mit dem Papst und der katholischen Kirche brach. Vorausgegangen waren zwei Kampfansagen von Papst Gregor XVI.: erst in der Enzyklika «Mirari vos» von 1832, in der dieser die angeblichen Irrlehren des Liberalismus im allgemeinen und, wenn er ihn auch noch nicht namentlich nannte, von Lamenais im besonderen scharf angriff, dann 1834 in der Enzyklika «Singulari nos», in der das Oberhaupt der katholischen Kirche Lamenais und sein Buch «Paroles d’un croyant» (Worte eines Gläubigen) öffentlich anprangerte.
    Viele der katholischen Legitimisten waren Vertreter der politischen Romantik, und nicht wenige politische Romantiker waren Katholiken oder traten wie Adam Müller und Friedrich Schlegel vom Protestantismus zum Katholizismus über. (Novalis, geboren als Friedrich von Hardenberg, der 1799 im Alter von 28 Jahren gestorben war, hatte trotz seiner Verherrlichung des katholischen Mittelalters in dem 1794 geschriebenen Essay «Die Christenheit oder Europa» diesen Schritt nicht getan.) Die politischen Romantiker verklärten das Mittelalter und die Monarchie; sie pflegten, von Herder angeregt, den «Volksgeist», die Sprache, Kultur und Geschichte des eigenen Landes; die meisten hielten die Aufklärung und manche auch die Reformation für einen Irrweg, der zu den Schrecken der Revolutionszeit geführt hatte und den es darum zu verlassen galt.
    Doch nicht alle Konservativen waren politische Romantiker. Im Jahre 1816 erschien der erste von sechs Bänden eines Werkes des schweizerischen Juristen Karl Ludwig von Haller unter dem Titel «Restauration der Staatswissenschaften». Der Berner Patrizier verteidigte ohne Wenn und Aber den «Patrimonialstaat», dessen Befugnisse weder durch mächtige, sich selbst verwaltende Städte noch gar durch eine Repräsentativverfassung wie die Charte von 1814 beeinträchtigt werden durfte. Mit den Ideen der politischen Romantik hatte diese Lehre von der Staatsallmacht wenig gemein.
    Umgekehrt waren nicht alle Romantiker Konservative. Friedrich Schleiermacher etwa, seit 1809 Pfarrer an der reformierten Dreifaltigkeitskirche zu Berlin und seit 1810 Professor der Theologie an der neugegründeten hauptstädtischen Universität, gehörte um 1800 zum Kreis der Berliner Frühromantiker um Ludwig Tieck, Heinrich von Kleist, Friedrich Schlegel, die Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt. Zur gleichen Zeit setzte er sich nachdrücklich für die Judenemanzipation ein und wurde einige Jahre später als Mitarbeiter Wilhelm von Humboldts einer der herausragenden Bildungsreformer in Preußen. Er verband preußischen und deutschen Patriotismus miteinander. Dieser Patriotismus war religiös gefärbt, aber keine politische Religion im Sinne von Fichte, Jahn und Arndt. Als Freund der Freiheit war Schleiermacher kein Gegner der Aufklärung. Im damaligen politischen Spektrum war er eher den Liberalen als den Konservativen zuzurechnen.[ 57 ]
    Der politische Standort Wilhelm von Humboldts, des zeitweiligen Vorgesetzten Schleiermachers, war eindeutig: Seine 1791 geschriebene, in vollem Wortlaut erst sechzig Jahre später veröffentlichte Schrift «Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen» war ein klassisches Dokument des Liberalismus avant la lettre. «Der Staat enthalte sich aller Sorgfalt für den positiven Wohlstand der Bürger, und gehe keinen Schritt weiter, als zu ihrer Sicherstellung gegen sich selbst und gegen auswärtige Feinde notwendig ist; zu keinem anderen Endzwecke beschränke er ihre Freiheit»: So lautet einer der Kernsätze. Der Staat dürfe sich in nichts einmischen, was nicht allein die Sicherheit angehe; je mehr der Mensch für sich wirke, desto mehr bilde er sich. «Die Freiheit erhöht die Kraft und führt, wie immer die größere Stärke, allemal eine Art der Liberalität mit sich … Um für die Sicherheit der Bürger Sorge

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