Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
Vom Netzwerk:
Unternehmerprofit ausschalten sollte, hatte Owen keinen Erfolg. Was blieb, waren die von ihm geförderten Konsumvereine und Gewerkschaften: Sie erwiesen sich als geeignete Mittel, um die Lage der arbeitenden Klasse schrittweise zu verbessern.
    Saint-Simon, Fourier und Owen waren nicht die letzten unter den Frühsozialisten. 1839 malte Etienne Cabet in seiner «Reise durch Ikarien» das Bild einer kommunistischen Gesellschaft der Gegenseitigkeit aus, die auf freien Assoziationen beruhte. Im Jahr darauf gab Pierre Joseph Proudhon auf die selbstgestellte Frage «Was ist Eigentum?» die berühmte Antwort: «Eigentum ist Diebstahl (La propriété, c’est le vol).» Tatsächlich wollte Proudhon das Eigentum an den Produktionsmitteln nicht gänzlich abschaffen, sondern nur an eine große Zahl kleiner Produzenten verteilen. Er lehnte die Herrschaft von Menschen über Menschen und mithin auch den Staat als solchen ab und stellte ihm das Prinzip des Föderalismus, des freien Zusammenwirkens freier Zusammenschlüsse auf nationaler und internationaler Ebene, gegenüber. Proudhon war ein Anarchist, der auf Gewalt verzichten wollte: eine Position, mit der er in Teilen der frühen industriellen Arbeiterschaft Anklang fand.
    Im gleichen Jahr 1839, in dem Cabet seine «Reise durch Ikarien» vorlegte, scheiterte einer von vielen Umsturzversuchen Auguste Blanquis. Gewalt war für diesen posthumen Jünger Babeufs, der einen Großteil der dreißiger Jahre im Gefängnis verbracht hatte, nicht etwa nur die ultima ratio des Klassenkampfs: Blanqui sah im bewaffneten Aufstand einer kleinen entschlossenen Minderheit das einzig aussichtsreiche Mittel, um die Klassenherrschaft der Bourgeoisie zu Fall zu bringen. In der französischen Arbeiterschaft hatte der Revolutionär Blanqui aber sehr viel weniger Anhänger als sein schärfster Widersacher, der Reformist Louis Blanc. Dessen wichtigstes Nahziel war das allgemeine Wahlrecht. Es sollte dem Proletariat (der Begriff kam in den 1830er Jahren auf) die Möglichkeit verschaffen, auf demokratischem Weg eine neue, sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Ein erster Schritt in dieser Richtung waren die Nationalwerkstätten (ateliers sociaux oder nationaux): vom Staat eingerichtete und finanzierte, genossenschaftlich geleitete Unternehmen, die auf lange Sicht die kapitalistische Wirtschaftsordnung überwinden sollten. War Auguste Blanqui ein Vorläufer der Bolschewiki, so kann man Louis Blanc den ersten Sozialdemokraten nennen. Ansatzweise zeichneten sich damit schon um 1840 die Richtungskämpfe ab, die die internationale Arbeiterbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts prägen und schließlich zerreißen sollten.[ 58 ]
    Rückkehr zum Gleichgewicht: Der Wiener Kongreß
    Die Grundzüge der europäischen Nachkriegsordnung festzulegen war die Aufgabe des Wiener Kongresses, der im Oktober 1814 zusammentrat und seine Arbeiten im Juni 1815 beendete. Sein Gravitationszentrum bildete die «Pentarchie» der fünf Großmächte Großbritannien, Rußland, Österreich, Preußen und Frankreich. Daß Frankreich faktisch als gleichberechtigtes Mitglied des «europäischen Konzerts» auftreten konnte, verdankte es zu einem guten Teil dem Geschick von Charles Maurice de Talleyrand, dem einstigen Bischof von Autun, der von 1799 bis zu seiner Entlassung im August 1807 Napoleon als Außenminister gedient hatte. Als Vorkämpfer der bourbonischen Restauration gelangte er 1814 erneut, wenn auch nur für kurze Zeit, ins Amt des Außenministers. Auf dem Wiener Kongreß gehörte er neben Zar Alexander I., dem österreichischen Staatskanzler Fürst Metternich, dem britischen Außenminister Castlereagh und dem preußischen Staatskanzler Fürst Hardenberg zu den einflußreichsten Akteuren.
    Die schonende Behandlung Frankreichs war ein Gebot des europäischen Gleichgewichts, wie Metternich und Castlereagh es verstanden. Die Rückkehr zur vorrevolutionären «balance of power» war die Antwort auf den Versuch der Errichtung der Hegemonie eines Landes, Frankreichs, im Zeitalter Napoleons. Deswegen war es wichtig, die Restauration der Bourbonenherrschaft in Paris durch Entgegenkommen der bisherigen Alliierten zu fördern und zu festigen. Denn nur ein Frankreich, das «legitim» im Sinne der alten Monarchien war, konnte im Konzert der europäischen Mächte die ihm zugedachte konstruktive Rolle spielen.
    Einigkeit über den Grundsatz des Gleichgewichts bedeutete freilich noch keine übereinstimmung hinsichtlich der Schlußfolgerungen, die

Weitere Kostenlose Bücher