Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Vertreter der neoabsolutistischen Gegenrevolution, unterdrückte in seiner kurzen Amtszeit die Opposition derart massiv, daß er das Gegenteil des Gewünschten erreichte: Die Gegner der Bourbonenherrschaft, darunter besitzende und gebildete Bürger, Adlige und Offiziere, schlossen sich in großer Zahl der schon mehrfach erwähnten Geheimorganisation der Carboneria an, die auf ein freies und geeintes Italien hinarbeitete.
Entsprechend enthusiastisch wurde von allen, die sich der liberalen Sache verschrieben hatten, die Nachricht von der spanischen Umwälzung im Januar 1820 aufgenommen. Im Juli desselben Jahres holte die Carboneria mit der Unterstützung hoher Offiziere zum Schlag gegen das Bourbonenregime aus. Die napolitanische Revolution verlief ähnlich wie das spanische Vorbild: König Ferdinand gab dem revolutionären Druck nach; er versprach eine Verfassung nach Art der spanischen von 1812 und ernannte ein neues Ministerium aus Anhängern Murats.
Die Reaktion der «Heiligen Allianz» ließ nicht lange auf sich warten. Schon im November 1820 hatten sich die konservativen Ostmächte Rußland, Österreich und Preußen bei einer Konferenz der fünf europäischen Großmächte, des sogenannten Areopags, im mährischen Troppau auf den Grundsatz verständigt, gegen den Umsturz der legitimen Ordnung in Staaten, die sich 1815 der «Heiligen Allianz» angeschlossen hatten, notfalls mit Gewalt einzuschreiten. Auf dem folgenden Kongreß in Laibach, der heutigen slowenischen Hauptstadt Ljubljana, ließ Österreich sich im Februar 1821 von Rußland und Preußen gegen den Widerspruch Englands und Frankreichs mit der Niederwerfung der napolitanischen Revolution beauftragen. Die Intervention vom März 1821 gelang auch deshalb so rasch, weil die Liberalen von Neapel in Sizilien nicht nur wenig Rückhalt fanden, sondern in Palermo sogar eine von den Zünften (maestranze) geführte, separatistische und teilweise anarchistische Volksrevolution zu bekämpfen hatten.
Im gleichen Monat, in dem die vorrevolutionäre Ordnung im Königreich beider Sizilien wiederhergestellt wurde, brach in einem anderen Teil Italiens, in Piemont, die Revolution aus. Das Königreich Sardinien-Piemont hatte unter König Viktor Emanuel I. eine besonders schroffe Form der Restauration erlebt. Zu den Mitgliedern der Turiner Regierung gehörte einer der führenden Denker der europäischen Gegenrevolution, Joseph de Maistre, der von 1818 bis zu seinem Tod im Jahre 1821 das Amt des für die Justiz zuständigen Ministers innehatte. Intellektuelle Kritiker wichen vorzugsweise nach Mailand aus, wo die Zensur nicht ganz so streng gehandhabt wurde; andere schlossen sich der Carboneria an, die sich in diesen Jahren über ganz Italien verbreitete.
Die piemontesische Märzrevolution von 1821, die sich am napolitanischen Vorbild ausrichtete, war zunächst erfolgreich: König Viktor Emanuel I. dankte zugunsten seines Bruders Karl Felix ab, der sich aber zu dieser Zeit auf einer Auslandsreise befand. An seiner Stelle übernahm der patriotisch gesinnte Prinz Karl Albert von Savoyen-Carignano, der nächste Anwärter auf den Thron, die Regentschaft und willigte sogleich in eine Verfassung ähnlich der von Cádiz ein. Nach Turin zurückgekehrt, rief dann der neue König jene Macht zur Hilfe, der die Turiner Revolutionsregierung in völliger Verkennung ihrer tatsächlichen Möglichkeiten den Krieg erklärt hatte: Österreich. Mit einem Mandat des immer noch tagenden Kongresses von Laibach ausgestattet, stellte das Habsburgerreich im April 1821 auch in Piemont die vorrevolutionäre Ordnung wieder her. Wie in Neapel, so wurden auch in Piemont nur wenige Revolutionäre vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die meisten konnten ins Ausland fliehen, wo sie auf viele Landsleute stießen, die schon zuvor aus politischen Gründen aus Italien emigriert waren.
Der Niederwerfung der Revolutionen in Neapel und Piemont folgten in den Jahren 1821 bis 1824 politische Prozesse im österreichischen Lombardo-Venetien. Sie richteten sich gegen wirkliche oder vermeintliche Förderer der Revolution wie den Grafen Frederico Confalonieri, den Gründer der Bewegung «Italici puri», den Marchese Giorgio Pallavicino und den Dichter Silvio Pellico. Vierzig Oppositionelle, die meisten aus Mailand, wurden verurteilt; die Todesurteile, die gegen 19 von ihnen ergingen, wurden jedoch kurz darauf in Haftstrafen umgewandelt. Auf die Begnadigung durch den Kaiser von Österreich mußten
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