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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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die Hauptbeschuldigten lange, bis 1832/33, warten.
    Auch im Kirchenstaat, der nach 1815 außer dem eigentlichen Patrimonium Petri wieder große Teile des nördlichen Mittelitalien mit Umbrien, den Marken und der Romagna umfaßte, verschärfte sich der Reaktionskurs. Unter Leo XII., der 1823 die Nachfolge des verstorbenen Pius VII. antrat, wurde der Kampf mit den liberalen Ideen so verbissen geführt, daß selbst Metternich sich genötigt sah, auf Mäßigung zu drängen. Nach 1824 gab es in Italien nicht mehr viel, was auf ein «Risorgimento», eine Wiedergeburt des Landes, hindeutete. Aber die Ideen von der Einheit und Freiheit Italiens ließen sich nicht dauerhaft unterdrücken. Daß sie weiterlebten, dafür sorgte schon eine patriotische Reservearmee: die zahlreichen italienischen Emigranten in den Ländern des westlichen Europa.
    Von den revolutionären Befreiungskämpfen der 1820er Jahre im Mittelmeerraum war, wenn man von dem britischen De-facto-Protektorat Portugal einmal absieht, lediglich einer langfristig erfolgreich, und auch dieser nur auf Grund massiver Hilfe von außen: der griechische. Die Griechen waren nicht das erste Balkanvolk, das sich im 19. Jahrhundert gegen die osmanische Herrschaft auflehnte. In den Jahren von 1804 bis 1817 hatten die Serben die Autonomie ihres Landes erstritten und schließlich die Anerkennung des Fürsten Miloš Obrenovic durch die Hohe Pforte, die Regierung des Sultans in Istanbul, erreicht. Für die Griechen noch wichtiger war die Tatsache, daß sich um dieselbe Zeit der Statthalter des Sultans, Ali Pascha von Janina, ein gebürtiger Albaner, von der Oberhoheit des Osmanischen Reiches weitgehend unabhängig gemacht und die faktische Herrschaft über große Teile Albaniens, den Epirus und Thessalien errungen hatte.
    Ein Gefühl der nationalen Zusammengehörigkeit der Griechen hatte sich vor 1820 vor allem bei den im Ausland lebenden Griechen, bei den wohlhabenden und oft weitgereisten Kaufleuten der ägäis und der Küstenstädte des Festlandes herausgebildet. Dieser relativ kleine Teil der griechischen Gesellschaft war mit dem politischen Gedankengut des Westens, den Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution, wohlvertraut. Revolutionspläne wurden vor allem von einer Geheimorganisation, der 1814 in Rußland gegründeten «Freundlichen Gesellschaft» (Philikí hetaireía) geschmiedet. Die Masse der ländlichen und kleinstädtischen Bevölkerung hingegen kam auch in der Spätphase der osmanischen Herrschaft mit Geistigem nur in Form der orthodoxen Religion und der zumeist kirchlich geleiteten Schulen in Berührung; entsprechend groß war der Einfluß der örtlichen Popen. Zum Alltag auf der Peloponnes gehörten aber neben Popen, Bauern, kleinen Händlern, Schaf- und Ziegenhirten auch die Briganten: bewaffnete Banditen, die von Raub und Mord lebten. Der bekannteste Bandenführer war Theodor Kolokotrones, der in der Zeit des Unabhängigkeitskrieges nicht nur als Kämpfer gegen die Türken, sondern auch als militanter Widersacher jeder ihm nicht willfährigen Regierung auftrat.
    Dem Unabhängigkeitskrieg gingen im Frühjahr 1821 Massaker an der türkischen Bevölkerung Griechenlands voraus, die, wenn man von den osmanischen Festungen absieht, nur wenige Angehörige dieser Minderheit überlebten. Die orthodoxen Priester versuchten nicht etwa, dem barbarischen Kampf gegen die muslimischen Nachbarn Einhalt zu gebieten, sie stachelten ihn vielmehr häufig an. Die türkische Antwort bestand aus Gegenterror in Gestalt von Massakern an den Griechen, die im Kerngebiet des Osmanischen Reiches lebten. Der Patriarch von Konstantinopel, Gregorios, der geistliche Führer der orthodoxen Christen, wurde wegen angeblicher Beteiligung am Aufstand gehängt; dasselbe Schicksal erlitten mehrere Erzbischöfe, Bischöfe und hohe Beamte griechischer Herkunft. Eine der dem türkischen Festland vorgelagerten Inseln, Chios, wurde 1822 völlig verwüstet: Tausende Bewohner wurden erschlagen, unzählige als Sklaven verkauft.
    In die Zeit unmittelbar nach den Massakern auf dem griechischen Festland im Frühjahr 1821 fällt auch der Versuch des Fürsten Alexander Ypsilanti, eines aus einer griechischen Familie stammenden Generals der russischen Armee, einen Aufstand gegen das Osmanische Reich in den Donaufürstentümern Moldau und Walachei zu entfesseln. Die schlecht vorbereitete Erhebung von Jassy am Pruth wurde rasch niedergeschlagen. Ypsilanti selbst entkam ins Habsburgerreich, wo er sechs

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