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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Jahre lang festgehalten wurde. Sein Aufstand aber wurde zum Signal des umfassenden Unabhängigkeitskampfes der Griechen. Zu ihrem politischen Führer hatte die «Freundliche Gesellschaft» Demetrius Ypsilanti, einen Bruder Alexanders, bestellt, der wie dieser Offizier in der Armee des Zaren gewesen war. Nachdem er im Juni 1821, von Italien aus kommend, in Griechenland eingetroffen war, bildete er eine provisorische Regierung und nahm, gestützt auf Spenden der Auslandsgriechen, den Aufbau einer griechischen Armee in Angriff. Von der einheimischen Bevölkerung freilich erhielt er zunächst nur wenig aktive Hilfe. Um so wichtiger wurde für ihn das Zusammenspiel mit Kolokotrones, der in die Verschwörung der Auslandsgriechen eingeweiht worden war.
    Im Sommer und Herbst 1821 fielen einige der wichtigsten türkischen Festungen auf griechischem Boden: Navarino, Monemvasia und Tripolitsa. Am 1. Januar 1822 verkündete ein Nationalkongreß in Epidauros auf der östlichen Peloponnes die Unabhängigkeit des hellenischen Volkes und beschloß eine provisorische Verfassung. Sie schuf, ohne daß sie diesen Begriff benutzte, eine Republik, die sich auf die Trennung von beratender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt stützte. Als herrschende Religion legte sie die «morgenländische orthodoxe Kirche» fest, duldete jedoch das Bekenntnis zu anderen Religionen, deren Zeremonien und Gebräuchen. Als Griechen galten die Bewohner des Staates, die an Christus glaubten, einschließlich der Zuwanderer aus dem Ausland. Die Verfassung verbürgte die Gleichheit vor dem Gesetz und den Schutz von Eigentum, Ehre und Sicherheit aller Griechen. Das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit enthielt erst die am 29. März 1822 verabschiedete überarbeitete Verfassung, das «Gesetz von Epidaurus», das diese Freiheit jedoch an bestimmte Voraussetzungen band: Angriffe auf die christliche Religion, eine Verletzung des öffentlichen Schamgefühls und die Beschimpfung von Personen waren nicht gestattet. Diese Beschränkungen wurden auch von der kurzlebigen Verfassung vom 1. Mai 1827 festgehalten, die den politischen Rechten der Griechen mehr Raum gewährte als die Verfassungsgesetze von 1822.
    Europa reagierte auf die Nachrichten vom Befreiungskampf der Griechen mit einer Begeisterung, die einen Augenblick lang die Grenzen zwischen Nationen, Konfessionen und politischen Überzeugungen fast vergessen ließ. Die Griechen waren Christen, also schuldete ihnen das christliche Europa Solidarität im Kampf gegen die muslimischen Türken; sie waren die Erben des alten Hellas, also verdienten sie die Unterstützung aller Bewunderer des klassischen Griechenland; sie kämpften gegen das Osmanische Reich, das als rückschrittlich und despotisch galt, also mußten sich alle Freunde der Freiheit auf die Seite der Hellenen stellen. Das waren die Folgerungen, die die öffentliche Meinung aus den griechischen Kämpfen zog. Ja mehr noch: Es war dieser Krieg, der erstmals so etwas wie die öffentliche Meinung Europas erzeugte und aus ihr einen Machtfaktor machte, den die Regierenden bei ihren politischen Entscheidungen zu berücksichtigen hatten.
    Die «Philhellenen», die Freunde der Griechen, sammelten sich quer durch Europa, ja bis Nordamerika in Komitees, die den Kampf der Griechen ideell, publizistisch, finanziell und im Grenzfall auch unmittelbar militärisch unterstützten. Besonders stark war die Bewegung in Deutschland: Wer hier Freiheit und Einheit für Griechenland forderte, tat das zumeist im Bewußtsein, daß es sehr viel riskanter gewesen wäre, denselben Wunsch, bezogen auf das eigene Land, laut zu äußern. Die größte Dichte wies das philhellenische Vereinswesen im Südwesten Deutschlands, in Baden, Württemberg, Hessen-Darmstadt und der linksrheinischen Pfalz, auf. Es war durchaus kein Zufall, daß diese Gebiete wenig später als Hochburgen des deutschen Frühliberalismus in Erscheinung traten: Die Vereine der südwestdeutschen Griechenfreunde waren Vorformen des liberalen Parteiwesens; sie glichen bis zu einem gewissen Grade das Fehlen einer wirksamen parlamentarischen Opposition aus. Doch längst nicht alle deutschen Philhellenen waren Liberale: Außerhalb von Baden, Württemberg, Hessen und bayrischer Rheinpfalz dürften die humanistisch oder christlich, aber nicht im engeren Sinn politisch motivierten Griechenfreunde in der Überzahl gewesen sein.
    Weit verbreitet war die philhellenische Bewegung auch in Großbritannien, von wo das meiste Geld

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