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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Verteidiger den Angriffen der Türken bis Juni 1827 trotzen.
    Mittlerweile hatte sich aber auf der Ebene der hohen Politik der europäischen Großmächte ein bemerkenswerter Wandel vollzogen. Zar Nikolaus I., der im Dezember 1825 auf den Thron gelangt war, zeigte sich entschlossen, eine Niederlage der aufständischen Griechen, die er insgeheim verachtete, nicht hinzunehmen. Im April 1826 einigten sich Rußland und England in einem zu St. Petersburg unterzeichneten Protokoll auf ein gemeinsames Ziel: Sie wollten sich um eine Vermittlung zwischen Griechen und Türken bemühen. Das hieß nichts anderes als griechische Autonomie unter osmanischer Oberhoheit. Damit stand die Heilige Allianz nur noch auf dem Papier. Ohne Österreich und Preußen zu konsultieren, hatte sich Rußland mit Großbritannien verständigt. Eine Rückkehr zum informellen Dreibund der konservativen Ostmächte war danach kaum noch vorstellbar.
    Dem Petersburger Protokoll folgte im Jahr 1827, wenige Wochen nach dem Fall der Akropolis und vor dem Tod von Außenminister George Canning, der Vertrag von London: Darin vereinbarten Rußland, England und Frankreich, die kämpfenden Parteien in Griechenland gegebenenfalls durch ihre Flotten zu trennen, eine weitere Verstärkung der türkischen und ägyptischen Streitkräfte in Griechenland nicht hinzunehmen und notfalls auch Gewalt gegenüber dem Osmanischen Reich anzuwenden, wenn dieses sich weiterhin jeder Vermittlung verweigerte. Damit hatten sich die Unterzeichnerstaaten wechselseitig gegen Alleingänge einer der drei Mächte abgesichert. Daran lag Großbritannien vor allem im Hinblick auf seine Interessen im östlichen Mittelmeerraum, denen ein allzu starkes Zarenreich gefährlich werden konnte, während Rußland besonderen Wert darauf legte, von den anderen europäischen Großmächten unbehindert seine Position am Schwarzen Meer durch größeren Einfluß in den Donaufürstentümern Moldau und Walachei auszubauen.
    Zum Wendepunkt des griechischen Unabhängigkeitskrieges wurde die Schlacht von Navarino an der Westküste der Peloponnes am 20. Oktober 1827. Die vereinigten Flottenverbände der Briten, Franzosen und Russen vernichteten innerhalb weniger Stunden die türkisch-ägyptische Flotte. Eine Kriegserklärung an das Osmanische Reich hatte es bis zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben; die Weisungen an die Kommandeure waren allgemein und widersprüchlich; der britische Admiral Codrington, der Oberbefehlshaber der Alliierten, stand der griechischen Sache nahe. Ein türkischer Kanonenschuß genügte, um die Verbündeten zum Losschlagen zu bewegen. Die Philhellenen ganz Europas bejubelten den Sieg, der den Weg in die Unabhängigkeit Griechenlands ebnete.
    Zu Lande wurde noch zwei Jahre lang weitergekämpft. Die Franzosen widmeten sich der Befreiung der Peloponnes; russische Armeen drangen im östlichen Anatolien und auf dem Balkan bis Adrianopel, auf türkisch Edirne, vor. Dem Osmanischen Reich gelang es nicht mehr, in die Offensive zu gehen. Im russisch-türkischen Vertrag von Adrianopel bestätigte die Pforte im September 1829 die Autonomierechte von Serbien, Moldau und der Walachei. Die beiden Donaufürstentümer blieben als halbsouveräne Staaten de jure unter türkischer Oberhoheit, verwandelten sich aber de facto in russische Protektorate. Das Zarenreich sicherte sich Stützpunkte im Kaukasus und an der Ostküste des Schwarzen Meeres sowie die Kontrolle über die Donauschiffahrt und das Recht der freien Durchfahrt durch die Dardanellen.
    Die völkerrechtliche Anerkennung der griechischen Unabhängigkeit brachte erst das Londoner Protokoll vom Februar 1830. Rußland, Großbritannien und Frankreich legten sich in dem von der Pforte anerkannten Vertrag auf Griechenland als unabhängige Erbmonarchie fest. Die Grenzziehung konnte die Griechen nicht zufriedenstellen: Thessalien blieb (bis 1881) beim Osmanischen Reich, die Ionischen Inseln bildeten (bis 1863) ein britisches Protektorat. Die Einführung der Erbmonarchie bedeutete, daß die Tage des quasirepublikanischen Griechenland gezählt waren. 1827 war Johannes Graf Kapodistrias, ein Grieche aus Korfu, der von 1809 bis 1827, zuletzt als russischer Außenminister, im diplomatischen Dienst des Zaren gestanden hatte, von der (vierten) griechischen Nationalversammlung für die Dauer von sieben Jahren zum Regenten von Griechenland gewählt worden. Nach vier Jahren endete seine autoritäre, aber zu keiner Zeit unangefochtene Herrschaft abrupt: Am 9. Oktober 1831

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