Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
Vom Netzwerk:
des Parlaments, der Generalstände, hatten nunmehr das Recht, Amendements zu Vorlagen des Königs zu beschließen, Untersuchungsausschüsse einzusetzen und alljährlich das Gesetz über den Staatshaushalt zu verabschieden. Weder die Niederlande noch Belgien standen 1848 am Vorabend einer Revolution. Durch die Anpassungen des politischen Systems rückte diese Gefahr in noch weitere Ferne.
    Dänemark hätte im Frühjahr 1848 vermutlich eine Revolution erlebt, wäre der neue König, Friedrich VII., nicht auf die wichtigste Forderung der nationalliberalen Partei der «Eiderdänen», die Einverleibung Schleswigs in die dänische Gesamtmonarchie, eingegangen. Der anschließende Krieg mit Preußen band die Energien der Nation und trug dazu bei, daß die inneren Gegensätze an Bedeutung verloren. Erst nach dem Waffenstillstand von Malmö im August 1848 wandten sich die politischen Kräfte des Landes der Arbeit an der (auch vom König gewünschten) Verfassung zu. Bei den Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung im Oktober waren Kandidaten aus der Bauernschaft besonders erfolgreich, die sich zuvor gegen das Recht des Königs verwahrt hatten, ein Viertel der Mitglieder der Konstituante zu ernennen. Am 25. Mai 1849 wurde die Verfassung verabschiedet, am 5. Juni von Friedrich VII. unterzeichnet. Das «Grundgesetz» machte aus dem Königreich eine konstitutionelle Monarchie mit juristischer Ministerverantwortlichkeit, einem Zweikammersystem und verbürgten Grundrechten. Das Wahlrecht besaßen alle unbescholtenen Männer, die das dreißigste Lebensjahr vollendet hatten und über einen eigenen Hausstand verfügten.
    Während die Konstituante an der Verfassung arbeitete, spitzte sich die Krise um Schleswig-Holstein erneut zu. Am 26. März 1849 kündigte Dänemark den Waffenstillstand von Malmö auf; am 3. April begann der Krieg aufs neue, wobei sich Preußen und die Frankfurter Zentralgewalt auf die Seite der Schleswig-Holsteiner stellten. Die militärischen Erfolge der Preußen, die Anfang Juli bis nach Jütland vordrangen, veranlaßten Großbritannien, Rußland und Frankreich zu massivem politischen Druck auf Berlin, und wie im Vorjahr gab Preußen nach. Am 10. Juli 1849 schlossen Dänemark und Preußen einen zweiten Waffenstillstandsvertrag. Die unterbrochenen Friedensverhandlungen konnten weitergehen. Dänemark durfte dabei nicht nur des besonderen Wohlwollens Rußlands und Großbritanniens sicher sein. Es genoß auch die Sympathien der anderen skandinavischen Länder und konnte sich, was das wichtigste war, im Ernstfall auf ihren militärischen Beistand verlassen: Bereits im März 1848 hatte Oskar I., in Personalunion König von Schweden und Norwegen, ein Bündnis mit Dänemark geschlossen und 6000 Soldaten nach Fünen geschickt.
    Von den europäischen Revolutionen von 1848/49 wurden Schweden und Norwegen ansonsten nur am Rande berührt. Im März 1848 kam es in Stockholm zu Arbeiteraufständen, die von Polizei und Militär blutig niedergeschlagen wurden; etwa 30 Teilnehmer verloren ihr Leben. Am 10. April ersetzte der König, von den Liberalen gedrängt, die bisherigen konservativen Minister bis auf einen durch andere, dem politischen Fortschritt verpflichtete Männer. Die neue Regierung arbeitete die Vorlage für eine Parlamentsreform aus, wozu die Umwandlung des Ständereichstags in ein Parlament mit zwei Kammern und ein stark eingeschränktes Männerwahlrecht gehörten. Entscheiden sollte darüber in seiner nächsten Session im Jahre 1850 der Reichstag. Die entschiedenen Liberalen waren enttäuscht, die öffentliche Meinung aber war derart stark von der Angst vor der «roten» Revolution erfüllt, daß sie nur wenig Interesse an der Revision der altertümlichen «Regierungsform» von 1809 zeigte.
    Bei der Reichtagssession von 1850 stimmte nur der Bürgerstand für die Reformvorlage; von Seiten der Ritterschaft und des Adels wie vom Bauernstand wurde sie abgelehnt, desgleichen vom König. Schweden mußte noch bis zum Jahre 1866 warten, ehe es unter Oskars Sohn, König Karl XV., in Gestalt der «Reichstagsordnung» eine Verfassung erhielt, die ein Zweikammersystem und ein erweitertes, an Grundbesitz und Steuerleistung gebundenes Wahlrecht brachte. Schweden wurde zur konstitutionellen Monarchie, in der, ungewöhnlich im damaligen Europa, die Bauern die bestimmende Kraft des Parlaments bildeten.
    In Norwegen hatten die liberalen und demokratischen Kräfte die Stockholmer Ereignisse vom März und April 1848 wie zuvor schon die

Weitere Kostenlose Bücher