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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Februarrevolution in Paris aufmerksam verfolgt. Im März fanden in Christiania, dem früheren und späteren Oslo, regierungsfreundliche Kundgebungen von Studenten und Gegendemonstrationen von Handwerksgesellen und Ladenbesitzern zugunsten der abgeschafften Sonntagsarbeit statt. Der Statthalter des Königs, der Gouverneur, drohte daraufhin mit dem Einsatz von Soldaten und bereitete so den Unruhen ein rasches Ende. Am 19. April wurde die Regierung umgebildet; die beiden neuen Minister genossen das Vertrauen auch der liberalen und bäuerlichen Opposition, die freilich unterschiedliche Ziele verfolgte: Den Bauern ging es vor allem um gemeindliche Demokratie und eine Beschränkung des Einflusses der Zentralgewalt; die bürgerlichen Liberalen setzten sich für ein parlamentarisches System ein. In der Bevölkerung der Hauptstadt aber war die Stimmung mittlerweile so antirevolutionär, daß die gemäßigte Mehrheit des Storthing, des Parlaments, die Absicht aufgab, den König um einschneidende Reformen zu ersuchen.
    Zu den Wirkungen der Revolution von 1848 kann man die Entstehung einer norwegischen Arbeiterbewegung unter Führung von Marcus Møller Thrane rechnen, die für das allgemeine gleiche Wahlrecht und die Abschaffung der Einfuhrzölle eintrat, unter dem Druck der staatlichen Verfolgung in den frühen fünfziger Jahren aber wieder zerfiel. Eine andere Folge war die von liberalen Reformern seit langem geforderte Streichung jener Bestimmung in Artikel 2 des norwegischen Grundgesetzes von 1814, die Juden den «Eintritt in das Reich» verwehrte, durch einen Beschluß des Storthing von 1851. An der diskriminierenden Praxis änderte sich dadurch jedoch wenig: Norwegen blieb noch auf lange Zeit ein Land fast ohne Juden.
    Wie in den beiden größten skandinavischen Ländern kam es auch in Großbritannien zu keiner revolutionären Erschütterung der bestehenden Ordnung. Die Regierenden konnten sich im Frühjahr 1848 freilich keineswegs sicher sein, daß es gelingen würde, das Vereinigte Königreich vor der revolutionären Flut zu schützen. Besondere Befürchtungen gab es in London mit Blick auf die Iren auf beiden Seiten des Nordatlantiks. In den drei Jahrzehnten zwischen 1815 und 1845 hatten 1,5 Millionen Menschen das von Hungersnöten heimgesuchte Irland verlassen; 900.000 waren nach Nordamerika ausgewandert, der Rest zum größten Teil nach England. Unter den amerikanischen Iren gab es viele, die von einem republikanischen Aufstand in der Heimat nicht nur träumten, sondern ihn vorbereiteten. Zentrum der einschlägigen Aktivitäten war New York, wo die Iren um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein Viertel der Einwohnerschaft ausmachten. Von der New Yorker Gruppe des auf beiden Seiten des Atlantiks tätigen «Young Ireland» wurde seit der Pariser Februarrevolution Geld für Waffen gesammelt und an der Bildung einer «Irish Brigade» aus Angehörigen von Milizen und Veteranen des Krieges gegen Mexiko gearbeitet, die tatkräftig an der Befreiung Irlands von der britischen Fremdherrschaft mitwirken sollte.
    Die im Lande verbliebenen irischen Nationalisten waren meist weniger militant. Die radikale «Irish Confederation» ging zwar im Frühjahr 1848 dazu über, die Regierungen in London und Dublin zu noch härterer Unterdrückung zu provozieren, weil ebendies als geeignetes Mittel erschien, die Massen gegen England zu mobilisieren. Die blutigen Zusammenstöße mit der Polizei in Ballingary in der Grafschaft Tipperary Ende Juli 1848 waren aber kein Teil eines Aufstandsplans der Confederates, sondern ein eher zufälliges, lokales Ereignis. Von einer revolutionären Situation im verarmten Irland des Jahres 1848 kann man nicht sprechen.
    Auch in England selbst galt die Aufmerksamkeit der Behörden vor allem den eingewanderten Iren. Allein in Liverpool lebten Ende der vierziger Jahre zwischen 90.000 und 100.000 Iren. Auch deshalb vermutete man in London, daß die «Irische Brigade», wenn sie denn den Atlantik überqueren sollte, in dieser Hafenstadt zuerst aktiv werden würde. Ein anderer Gegenstand der Besorgnis war seit langem eine Vereinigung der irischen Confederates mit den Chartisten, denen die Revolutionen auf dem Kontinent neuen Auftrieb gaben. Am Sankt Patrickstag, dem 17. März 1848, wurde in der Manchester Free Trade Hall auf Betreiben des irischen Chartistenführers Feargus O’Connor ein Zusammenschluß beider Bewegungen tatsächlich verkündet. Aber die Chartisten legten bei aller radikalen Rhetorik nach wie vor

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