Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
der sich am 5. März nach Rom begeben hatte, ging wieder nach London, Garibaldi auf Umwegen nach Amerika.
Sieben Wochen nach dem Fall von Rom, am 22. August, mußte nach langer Belagerung auch die andere, in der Revolutionszeit entstandene italienische Republik kapitulieren: Venedig, das fünf Tage später, nachdem die Rebellen die Stadt hatten verlassen können, von österreichischen Truppen besetzt wurde. Es war die letzte Niederlage der italienischen Revolution, aber nicht das Ende des Kampfes um die Freiheit und Einheit Italiens. Dieser Kampf mußte fortan im Lichte der Erfahrungen von 1848/49 geführt werden, und das änderte seinen Charakter: Der neoguelfische Traum vom Bund zwischen Nationalbewegung und Papsttum war ausgeträumt; das Königreich Sardinien-Piemont war aus eigener Kraft nicht stark genug gewesen, Italien in einem Nationalstaat zusammenzuschließen, und das republikanische Lager hatte noch weniger Aussicht gehabt, das ganze Land hinter sich zu bringen.
Für das Königreich Sardinien-Piemont kam folglich alles darauf an, Bündnisse zu schließen oder zu festigen. Nach außen galt es, mit Mächten zusammenzuwirken, die ihrerseits ein Interesse daran hatten, die Macht des Habsburgerreiches einzudämmen. Nach innen ging es zum einen um eine feste Allianz mit den gemäßigten Kräften des Risorgimento und den Versuch, die radikalen Demokraten von undurchdachten Aktionen abzuhalten. Zum anderen mußte das vom Großgrundbesitz geprägte, wirtschaftlich unterentwickelte Süditalien, der «mezzogiorno», dahin gebracht werden, die Führung des industriell fortgeschrittenen Nordens zu akzeptieren und so erst die Herausbildung einer modernen italienischen Nation ermöglichen. Entsprechende Einsichten mußten sich in der Nationalbewegung durchsetzen. Die selbstgestellte Doppelaufgabe, die Einheit und Freiheit Italiens gleichzeitig zu erreichen, hatte sich als Überforderung der liberalen und demokratischen Kräfte erwiesen. Wenn die Nationalbewegung erkannte, woran sie gescheitert war, konnte sie hoffen, die habsburgische Fremdherrschaft und die Zersplitterung des Landes beim nächsten Anlauf doch noch zu überwinden. Daß die Verhältnisse in Italien nicht lange so bleiben würden, wie sie waren, davon waren die Patrioten aller Richtungen im Sommer 1849 überzeugt. Einen gewissen Anlaß zur Hoffnung hatten sie: Im Gegensatz zum Königreich beider Sizilien und zum Großherzogtum Toskana blieb das Königreich Sardinien-Piemont auch nach 1849 ein Verfassungsstaat.
Anders als in Oberitalien reichten in Ungarn die Kräfte Österreichs nicht aus, um die Revolution niederzuschlagen. Um die Jahreswende 1848/49 hatte es zwar für kurze Zeit so ausgesehen, als neige sich der Kampf der Magyaren um die Unabhängigkeit bereits seinem Ende zu. Nach einer ungarischen Niederlage in der Nähe von Pest und Buda am 30. Dezember wurde die Hauptstadt evakuiert; die wichtigsten Regierungsbehörden und das Parlament verlegten ihren Sitz vorübergehend ins weiter östliche Debrecen. Doch mit Unterstützung einer Legion polnischer und slowakischer Freiwilliger von 3000 Mann und zweier polnischer Generäle, Józef Bem und Henryk Dembinski, gelang es den Ungarn im Frühjahr 1849, wieder in die Offensive zu gehen und im April zunächst Pest, am 21. Mai dann auch Buda zurückzuerobern.
Lájos Kossuth, der Vorsitzende des Nationalen Verteidigungkomitees, nutzte die militärischen Erfolge, um einen weitreichenden politischen Schritt zu tun, zu dem die Radikalen ihn seit längerem drängten: Er bewog die Nationalversammlung in Debrecen dazu, am 14. April 1849 die volle Unabhängigkeit Ungarns zu beschließen und damit eine angemessene Antwort auf die oktroyierte österreichische Reichsverfassung vom 4. März zu geben, die die historische Selbständigkeit Ungarns bis auf wenige Reste aufgehoben hatte. Am 19. April wurde die Unabhängigkeitserklärung veröffentlicht. Als Grund für den vollständigen Bruch mit dem Haus Habsburg nannte sie das Unrecht, das diese Dynastie Ungarn seit langem angetan habe. In derselben Sitzung der Nationalversammlung vom 14. April wurde Kossuth einstimmig zum Gouverneur-Präsident und damit zum Staatsoberhaupt gewählt.
Die außenpolitische Wirkung, die sich Kossuth von der Unabhängigkeitserklärung erhofft hatte, trat nicht ein: Die Westmächte Großbritannien und Frankreich erkannten Ungarn nicht an, und es gab keine internationalen Proteste, als Zar Nikolaus I. am 9. Mai Österreich Hilfe im Kampf
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