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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind. In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation bezeichnet werden. Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, antagonistisch nicht im Sinn von individuellem Antagonismus, sondern eines aus den gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Individuen hervorwachsenden Antagonismus, aber die im Schoß der bürgerlichen Gesellschaft sich entwickelnden Produktivkräfte schaffen zugleich die materiellen Bedingungen zur Lösung dieses Antagonismus. Mit dieser Gesellschaftsformation schließt daher die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab.»
    Im Jahre 1848 hatten Marx und Engels vergeblich auf einen raschen Umschlag der bürgerlichen in die proletarische Revolution gehofft. Als 1857 die Weltwirtschaftskrise ausbrach, freute sich Engels: «Die Krisis wird mir körperlich ebenso wohltun wie ein Seebad, das merk’ ich jetzt schon. 1848 sagten wir: jetzt kommt unsere Zeit, und sie kam ja in a certain sense, diesmal aber kommt sie vollständig, jetzt geht es um den Kopf.»
    Doch auch aus dieser Krise ging das kapitalistische Wirtschaftssystem gestärkt hervor. Die Abwendung vom Idealismus setzte sich fort, aber sie kam vorerst nicht den revolutionären Sozialisten, sondern jenen Liberalen und Konservativen zugute, die im Sinne des Titels der Schrift von August Ludwig von Rochau aus dem Jahr 1853 «Realpolitik» zur Richtschnur ihres Handelns machten. Sowohl unter den Konservativen wie unter den Liberalen und Demokraten gab es freilich auch solche, die an ihrer jeweiligen Spielart von Idealismus und Gesinnungspolitik festhielten. Und alle Religionskritik der philosophischen und der revolutionären Materialisten vermochte nicht den gesellschaftlichen Rückhalt der Kirchen zu beseitigen. Die politische Rolle der großen Konfessionen und anderen Glaubensgemeinschaften war noch längst nicht ausgespielt. Die Materialisten aller Schattierungen, die Positivisten und die Verfechter der Evolutionslehre stießen auf Gegner, die entschlossen waren, dem säkularen Zeitgeist Widerstand zu leisten.[ 1 ]
    West versus Ost: Der Krimkrieg und die Folgen
    Im März 1854 brach ein Krieg aus, der fünf Jahre zuvor mit knapper Not noch einmal vermieden worden war: ein Krieg zwischen West und Ost. Im Sommer 1849 war Rußland unter dem Druck von Großbritannien und Frankreich von seiner ultimativen Forderung abgerückt, die Türkei möge die ungarischen und polnischen Flüchtlinge ausliefern, die sich nach der Niederwerfung der ungarischen Revolution ins Reich des Sultans begeben hatten. Im Mai 1853 wurde die Türkei erneut mit einer ultimativen Forderung aus St. Petersburg konfrontiert. Nikolaus I. wollte vom Osmanischen Reich als Schutzherr aller christlichen Untertanen des Sultans anerkannt werden, was ihm die Möglichkeit verschafft hätte, sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einzumischen. Die Hohe Pforte lehnte es abermals ab, sich dem russischen Ansinnen zu beugen, und wurde in dieser Haltung durch eine militärische Demonstration der beiden Westmächte England und Frankreich, die Entsendung ihrer Mittelmeerflotten zur Einfahrt der Dardanellen, bekräftigt.
    Das Zarenreich ließ sich davon nicht beeindrucken und besetzte Anfang Juli 1853 die Donaufürstentümer Moldau und Walachei, die nominell noch immer unter türkischer Oberhoheit standen: eine Aktion, die die öffentliche Meinung Europas gegen Rußland aufbrachte. Die anderen Großmächte versuchten, zwischen St. Petersburg und Istanbul zu vermitteln, hatten damit aber keinen Erfolg. Das galt auch für die «Wiener Note» vom 31. Juli 1853. Der darin enthaltene Vorschlag, die Türkei solle frühere vertragliche Zusagen zugunsten der Christen des Osmanischen Reiches bekräftigen und namentlich am religiösen Status quo in Palästina, das heißt den verbrieften Rechten der katholischen und der orthodoxen Kirche an den Heiligen Stätten der Christenheit in Bethlehem und Jerusalem, nichts ohne vorherige Verständigung mit Frankreich und Rußland

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