Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Frankreich und Spanien nutzten den amerikanischen Bürgerkrieg jedoch aus, um mit Waffengewalt in Mexiko einzugreifen. Dessen antiklerikaler Präsident Benito Juarez, ein Politiker indianischer Abstammung, der nach einem blutigen Bürgerkrieg seit 1861 mit diktatorischen Vollmachten regierte, hatte die Schuldenzahlungen an die europäischen Gläubiger des Landes ausgesetzt; ihn zur Erfüllung seiner internationalen Verpflichtungen zu zwingen war der Zweck der Intervention der drei Mächte. England und Spanien zogen ihre Truppen im April 1862 wieder ab, nachdem die mexikanische Regierung einem Moratorium zugestimmt hatte. Napoleon III. aber ließ sich auf ein gefährliches Abenteuer ein: Seine Truppen blieben im Lande, eroberten 1863 Puebla und zogen danach in die Hauptstadt Mexiko ein, wo eine von den Franzosen einberufene, von klerikalen Monarchisten beherrschte Nationalversammlung ein Kaiserreich Mexiko unter dem Kandidaten Napoleons, dem Erzherzog Maximilian von Österreich, dem Bruder Kaiser Franz Josephs, proklamierte.
Die erklärte Absicht Napoleons III. war es, den Einfluß der USA in Mittelamerika durch ein von Frankreich abhängiges Mexiko einzudämmen (und gleichzeitig das Haus Habsburg einer Abtretung Venetiens an Italien günstig zu stimmen). Maximilian fand jedoch in den Massen der Bevölkerung so gut wie keinen Rückhalt. Die USA zwangen, nachdem sie im Bürgerkrieg gesiegt hatten, Frankreich unter Berufung auf die Monroe-Doktrin 1866, seine Truppen aus Mexiko zurückzuziehen. Im Jahr darauf setzten sich die Republikaner unter Juarez, der zeitweilig in den äußersten Norden des Landes zurückgedrängt worden war, nicht zuletzt dank massiver amerikanischer Unterstützung gegenüber den Monarchisten durch. Kaiser Maximilian wurde am 19. Juni 1867 auf Befehl von Juarez erschossen. Es folgten die Wiederherstellung der Republik und die erneute Wahl von Juarez zum Präsidenten. Für Napoleon III. bedeutete das katastrophale Scheitern seiner mexikanischen Unternehmung einen schweren Prestigeverlust. Er sollte mit zum Niedergang seiner Herrschaft in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre beitragen.
Der Sieg der Union im amerikanischen Bürgerkrieg wurde besiegelt durch den Einzug der Bundestruppen in Richmond, Virginia, der Hauptstadt der Konföderation, am 3. April 1865. Vorausgegangen waren die Erklärung von General Lee, daß er Richmond nicht länger verteidigen könne, die Flucht des Präsidenten der Konföderation, Jefferson Davis, und seines Kabinetts und ein Aufstand der schwarzen Bevölkerung, der zu einer Orgie der Gewalt wurde und die Stadt in Schutt und Asche legte. Lee war mittlerweile in südwestliche Richtung abgezogen. Von Unionstruppen unter General Philipp Henry Sheridan hart bedrängt, kapitulierte er am 9. April 1865 gegenüber General Ulysses Grant, dem von Lincoln eingesetzten Oberkommandierenden der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, in Appomattox, Virginia. Am 26. April ergab sich der Kommandierende General der konföderierten Truppen in den beiden Carolinas, General Joseph E. Johnston, dem Unionsgeneral Sherman. Der vierjährige Bürgerkrieg war zu Ende.
Insgesamt fielen während des amerikanischen Bürgerkrieges 618.000 Soldaten, 360.000 auf Seiten der Union, 258.000 auf Seiten der Konföderation. Das entsprach zusammen 2 Prozent der Bevölkerung der (ungeteilten) USA – ein weit höherer Verlust an Menschenleben, als Amerika ihn im Ersten und im Zweiten Weltkrieg erlitt (von 1916 bis 1918 waren es 0,11, von 1941 bis 1945 0,24 Prozent). Der deutsche Historiker Willi Paul Adams hat, die historischen Debatten zusammenfassend, den Krieg der Jahre 1861 bis 1865 als «eine Mischung aus Bürgerkrieg (Civil War, War of the Rebellion) und nationalem Einigungskrieg» bezeichnet. Bei einem «klassischen» Bürgerkrieg kämpfen irreguläre Aufständische gegen reguläre Regierungstruppen. Die Konföderation empfand sich keineswegs als irregulär, sondern als Verbund von Staaten, die von ihrem Recht auf Sezession Gebrauch machten. Aus der Sicht der Union gab es ein solches Recht nicht, was die Lostrennung der elf Staaten des Südens zu einem Akt der Rebellion und den Krieg zu einem Bürgerkrieg machte.
Während des Krieges hatte die Konföderation begonnen, sich aus einer Gesellschaft in eine Nation zu verwandeln; der Krieg war, so gesehen, ein Nationsbildungskrieg. Der Union ging es um die Aufrechterhaltung der staatlichen Einheit und darum, Sezessionen für alle Zukunft unmöglich zu
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