Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Oberkommandierenden, General Robert E. Lee, der den Armeen der Union zuvor einige schwere Niederlagen zugefügt hatte. Viereinhalb Monate später, am 19. November 1863, sprach Präsident Lincoln bei der Einweihung des Soldatenfriedhofs auf dem Schlachtfeld von Gettysburg jene Worte aus, die sich Generationen von Amerikanern eingeprägt haben. Er forderte die Anwesenden auf, «feierlich zu beschließen, daß diese Toten nicht umsonst gestorben sind, daß diese Nation unter Gottes Fügung eine Wiedergeburt der Freiheit erleben wird und daß die Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk niemals vom Erdboden verschwinden darf» (that this nation, under God, shall have a new birth of freedom – and that government of the people, by the people, for the people shall not perish from the earth).
In der Union wie in der Konföderation gab es während des Bürgerkriegs auch eine «Heimatfront». Wer im Süden als Sympathisant der anderen Seite galt, verfiel der Lynch-Justiz. In der größten Stadt des Nordens, New York, kam es im Juli 1862, ausgelöst durch die Einziehung junger Männer zum Militär, zu schweren Unruhen, an denen sich vor allem arme katholische Einwanderer aus Irland beteiligten. Mehrere Schwarze wurden ermordet, ihre Häuser niedergebrannt; insgesamt kamen über 100 Menschen ums Leben. Unterstützung für ihre Kriegsanstrengung durfte die republikanische Administration von denen erhoffen, an die sich das Homestead-Gesetz vom Mai 1862 richtete. Es erfüllte eine alte Forderung der «free soil»-Bewegung, indem es mittellosen Siedlern und Immigranten den Erwerb von Land zu äußerst günstigen Bedingungen ermöglichte. Wer den geringen Preis nicht zu entrichten vermochte, konnte Besitzrechte durch fünfjährige Bebauung des Bodens, den Bau einer bewohnbaren Unterkunft und die Zahlung einer Registriergebühr erwerben. Ohne den Bürgerkrieg hätte das Gesetz im Kongreß keine Mehrheit gefunden: Erst der Auszug der Abgeordneten und Senatoren aus den Südstaaten machte die Annahme möglich.
Der Mißbrauch, den skrupellose Geschäftsleute mit dem Gesetz trieben, war 1862 noch nicht absehbar – auch noch nicht 1864, als eine neue Präsidentenwahl anstand. Die Republikaner schickten, um ihren Sieg sicherzustellen, Lincoln zusammen mit einem «Kriegsdemokraten», dem ehemaligen Senator Andrew Johnson aus Tennessee, ins Rennen. Politisch gestärkt durch den Erfolg, den General Sherman im September 1864 mit der Eroberung von Atlanta, der Hauptstadt Georgias, errang, gewann Lincoln im November 55 Prozent der Wählerstimmen. Im Wahlmännergremium entfielen 212 Stimmen auf ihn und nur 21 auf den Kandidaten der kriegsmüden Demokraten, General George McClellan. Zu den Staaten, in denen gewählt wurde, gehörte außer denen, die 1861 in der Union verblieben waren, auch ein neu gebildeter: West Virginia. Das Gebiet auf der Westseite der Alleghanies hatte sich im Juni 1861 von Virginia abgespalten, nachdem dieses im April der Konföderation beigetreten war.
Der Süden hätte sich möglicherweise militärisch behaupten können, wenn europäische Mächte ihm zu Hilfe gekommen wären. Unmöglich erschien das zunächst nicht: Großbritannien und Frankreich gehörten neben den Neuenglandstaaten zu den Hauptabnehmern von Baumwolle aus den Südstaaten; beide sahen in den Vereinigten Staaten einen weltpolitischen Rivalen. Ohne England wollte Napoleon III. aber nicht aktiv werden, und die Regierung in London unter Lord Palmerston wagte es ihrerseits nicht, die starke Antisklavereibewegung im eigenen Lande herauszufordern, die seit der Ankündigung der Sklavenbefreiung durch Lincoln für eine Unterstützung der Union warb. Selbst europäische Opfer des amerikanischen Bürgerkrieges ergriffen die Partei des Nordens: die 500.000 Textilarbeiter, die ihre Arbeitsplätze infolge des Zusammenbruchs des Baumwollimports verloren hatten (und eine Chance, neue zu erhalten, erst bekamen, als Baumwollplantagen in Ägypten und Indien noch während des Krieges Ersatz für «King Cotton» zu schaffen begannen).
London und Paris hätten ihre Bedenken gegen ein Eingreifen zugunsten der Konföderation vermutlich zurückgestellt, wäre diese auf dem Schlachtfeld des Bürgerkrieges erfolgreicher gewesen. Da ein Sieg des Südens aber zu keiner Zeit in greifbare Nähe rückte, verzichteten beide europäischen Mächte auf eine diplomatische Anerkennung der Konföderation und erst recht auf eine militärische Intervention. Großbritannien,
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