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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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gegründeten Lega della democrazia zusammengeschlossen hatten. Das Gesetz, das am 29. Juni 1881 verabschiedet wurde, band das Wahlrecht an ein Mindestmaß an Schulbildung und Steuerleistungen. Die Zahl der Wahlberechtigten vervierfachte sich dadurch: Sie stieg von 500.000 auf 2 Millionen oder von 2 auf 7 Prozent der Bevölkerung.
    Nutznießer der Reform war, wie die Wahlen von Ende 1882 zeigten, die äußerste Linke, zu der bürgerliche Radikale, aber auch Andrea Costa, der frühere Anhänger Bakunins und nunmehr erste sozialistische Abgeordnete Italiens, zu rechnen waren. Der Demokratisierung des Wahlrechts folgte 1882 die Gründung der ersten italienischen Arbeiterpartei, des Partito Operaio, der jede Ideologie ablehnte und lediglich wirtschaftliche und soziale Verbesserungen für die Arbeiter forderte. Der Anarchismus hatte nach einem gescheiterten Putschversuch von Cafiero und Malatesta bei Florenz im April 1878 und einem Anschlag auf den erst kurz zuvor auf den Thron gelangten Umberto I. in Neapel im November desselben Jahres dramatisch an Ansehen und Anziehungskraft verloren. Costa schwor 1879 dem gewaltsamen Umsturz ab und bekannte sich zu einem Programm sozialer Reformen sowie zum Parlament als Tribüne für Propaganda.
    Das Erstarken von Radikalen und Sozialisten führte zu einer Annäherung der bürgerlichen Kräfte der Linken und Rechten, wobei Depretis und Minghetti ihren jeweiligen Lagern die Richtung wiesen. Zu denen, die die Verwischung der Parteigrenzen im Zeichen des «trasformismo» kritisierten, gehörte zunächst auch der bekannteste Weggefährte des 1882 verstorbenen Garibaldi, Francesco Crispi, der schon im Januar 1848 bei der Revolution in Palermo eine führende Rolle gespielt hatte. 1887 übernahm er das Amt des Ministerpräsidenten. Damit begann eine Ära, in der innenpolitisch der Kampf gegen Radikalismus und Sozialismus und außenpolitisch die enge Zusammenarbeit mit Deutschland die hervorstechenden Merkmale waren.[ 16 ]
    Kampf den Reichsfeinden: Deutschland nach der Reichsgründung
    Mit der Gründung des Deutschen Reiches war eine der beiden Forderungen von 1848 erfüllt: die nach nationaler Einheit. Durch die kleindeutsche Lösung hatte Bismarck nicht nur die äußere Machtstellung Preußens in Deutschland, sondern auch die innenpolitische Machtstellung der altpreußischen Führungsschicht befestigt. Eine Konfrontation mit dem liberalen Bürgertum wie zuletzt im Verfassungskonflikt der Jahre 1862 bis 1866 war nach den Siegen der preußischen Armee bei Königgrätz und Sedan kaum noch vorstellbar. Die andere Forderung von 1848, die nach politischer Freiheit, blieb hingegen zu erheblichen Teilen unerfüllt. Eine Stärkung der Rechte der Volksvertretung bis hin zur Verwirklichung eines de facto parlamentarischen Systems, wie die Nationalliberalen und die Forschrittspartei sie anstrebten, konnte Bismarck nicht zugestehen. Wäre der Reichskanzler vom Vertrauen des Reichstags abhängig geworden, hätte der Bundesrat entsprechend an Einfluß verloren. Weder Preußen noch die anderen Einzelstaaten waren bereit, eine solche Beschneidung ihrer Macht hinzunehmen.
    Der neuralgische Punkt in den Beziehungen zwischen Exekutive und Legislative blieb auch nach 1871 der Militärhaushalt, der rund vier Fünftel des Gesamthaushalts des Reiches ausmachte. 1871, als der vom Norddeutschen Reichstag 1867 beschlossene Vierjahresetat auslief, fand sich der Reichstag zu einem neuen Provisorium bereit: Die Friedenspräsenzstärke wurde für die Dauer von drei Jahren auf 401.000 Mann festgelegt. 1874 verlangte Bismarck eine unbefristete Regelung auf ebendieser Grundlage, das sogenannte äternat. Die Nationalliberalen, seit 1867 die engsten Verbündeten des Kanzlers und die eigentliche Reichsgründungspartei, hätten diese Forderung nicht akzeptieren können, ohne einen ihrer wichtigsten Programmpunkte, die vollständige Durchsetzung des parlamentarischen Etatbewilligungsrechts, preiszugeben. Bismarck ließ die ihm nahestehende Presse auf die Revanchestimmung in Frankreich und die Pariser Rüstungspolitik hinweisen und verständigte sich schließlich mit dem nationalliberalen Parteiführer Rudolf von Bennigsen auf einen Kompromiß: einen auf sieben Jahre befristeten Militärhaushalt, das Septennat. Da die Legislaturperioden bis 1888 drei Jahre dauerten (danach dann fünf Jahre), bedeutete diese Regelung, daß nur jeder zweite Reichstag das Budgetrecht in vollem Umfang ausüben konnte.
    Die Nationalliberalen setzten

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