Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
despotism) ist nicht die Regierungsform, für die wir gekämpft haben, sondern eine, die nicht nur auf freiheitlichen Grundsätzen erbaut sein sollte, sondern bei der die Regierungsgewalten auch in einer Weise auf verschiedene Regierungseinrichtungen aufgeteilt und zwischen ihnen ausbalanciert sind, daß keine ihre gesetzlichen Grenzen überschreiten könnte, ohne von den anderen wirkungsvoll kontrolliert und beschränkt zu werden (in which the powers of government should be so divided and balanced among several bodies of magistracy, as that no one could transcend their legal limits, without being effectually checked and restrained by the others).»
Gegen die Gefahr der übermäßigen Machtanhäufung bei einer Gewalt half also nicht eine schematische Gewaltentrennung, wie es sie ja tatsächlich auch in Großbritannien nicht gab. Nötig war vielmehr, daß alle Gewalten die verfassungsmäßigen Mittel besaßen und die feste Absicht hatten, sich wechselseitig in Schach zu halten und auf Übergriffe einer Gewalt mit Widerstand zu antworten. Die Vorkehrung für die Verteidigung müsse, so Madison in «Federalist No. 51», der Gefahr des Angriffs entsprechen. «Man muß dafür sorgen, daß der Ehrgeiz dem Ehrgeiz entgegenwirkt (Ambition must be made to counteract ambition). Das persönliche Interesse des einzelnen muß mit den verfassungsmäßigen Rechten seines Amtes verbunden sein.»
Madison begründete diese Forderung anthropologisch. «Es mag ein Ausdruck des Mangels der menschlichen Natur (a reflection on human nature) sein, daß solche Kniffe (such devices) notwendig sein sollen, um den Mißbrauch der Regierungsgewalt in Schranken zu halten. Aber was ist die Tatsache, daß Menschen eine Regierung brauchen, selbst anderes als der deutlichste Ausdruck des Mangels der menschlichen Natur? Wenn die Menschen Engel wären, wäre keine Regierung notwendig. Wenn Engel die Menschen regierten, wären weder äußere noch innere Kontrollen der Regierung notwendig. Bei der Planung einer Regierung, die von Menschen über Menschen ausgeübt werden soll, liegt die große Schwierigkeit hierin: Zuerst muß man die Regierung dazu in die Lage versetzen, die Regierten zu kontrollieren; dann muß man sie dazu zwingen, sich selbst zu kontrollieren. Die Abhängigkeit vom Volk stellt ohne Zweifel die wichtigste Kontrolle der Regierung dar. Aber die Erfahrung hat die Menschheit gelehrt, daß zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen erforderlich sind.»
Aus dieser Einsicht ließ sich fast alles ableiten, was für die amerikanische Verfassung wesentlich war. Da der Legislative in einem republikanischen Gemeinwesen notwendigerweise die Vorherrschaft zufiel, der Gefahr eines Machtmißbrauchs aber vorgebeugt werden mußte, war die gesetzgebende Gewalt in die Hände von zwei Kammern gelegt worden. Ein absolutes Veto gegen Beschlüsse der gesetzgebenden Organe hätte den Inhaber der Exekutivgewalt zu stark gemacht; durch das suspensive Veto wurde diese Gefahr vermieden. Einer Machtkonzentration bei der vollziehenden Gewalt wirkte auch das föderative System, die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Einzelstaaten, entgegen. Diese Form der Gewaltenteilung bedeutete, daß Union und Staaten sich zum einen wechselseitig kontrollierten, zum anderen einer je eigenen Kontrolle unterworfen waren.
Die Verfassung hatte Madison zufolge nicht nur die Gesellschaft vor den Regenten, sondern auch den einen Teil der Gesellschaft vor der Ungerechtigkeit des anderen zu schützen. Der Autor des «Federalist No. 51» nannte Rousseau nicht beim Namen, aber was er schrieb, war auch eine Antwort an den Verfasser des «Contrat social» und seine ebenso spekulativen wie autoritären Vorstellungen vom allgemeinen Willen und vom Gemeinwohl: «Unterschiedliche Gesellschaftsschichten haben notwendig unterschiedliche Interessen. Wenn eine Mehrheit durch ein gemeinsames Interesse geeint ist, sind die Rechte der Minderheit nicht gesichert. Es gibt nur zwei Methoden, Vorsorge gegen dieses Übel zu treffen: die eine ist, einen Willen in der Gemeinschaft zu schaffen, der unabhängig ist von der Mehrheit, das heißt von der Gesellschaft selbst; die andere ist, in die Gesellschaft so viele unterschiedliche Arten von Bürgern aufzunehmen, daß ein ungerechter Zusammenschluß einer Mehrheit sehr unwahrscheinlich, wenn nicht undurchführbar wird.»
Die erste Methode sei für alle Regierungen maßgeblich, deren Autorität auf Erbfolge oder Selbsternennung beruhe. Die zweite Methode sei die der
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