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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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das Volk selbst zusammentritt und die Regierung ausübt, während sich in einer Republik die Vertreter des Volkes versammeln und regieren (in a democracy, the people meet and exercise the government in person; in a republic, they assemble and administer it by their representatives and agents). Eine Demokratie muß folglich auf einen engen Bereich beschränkt bleiben; eine Republik hingegen kann auf ein großes Gebiet ausgedehnt werden.»[ 212 ]
    Hamilton, Madison und Jay gingen von der Annahme aus, daß die Repräsentanten im allgemeinen aufgeklärter waren als die, die sie gewählt hatten. «Ein Volk von Philosophen ist genausowenig zu erwarten wie das Geschlecht von Philosophenkönigen, das Platon ersehnte», heißt es in dem von Madison, möglicherweise aber auch von Hamilton verfaßten «Federalist No. 49». Die Gefahr, den öffentlichen Frieden durch eine zu starke Entfesselung der Leidenschaften der Öffentlichkeit zu stören, sei ein sehr ernsthafter Einwand dagegen, Verfassungsfragen allzu häufig an die Entscheidung der Gesamtgesellschaft zu verweisen.
    In «No. 63», der wahrscheinlich ebenfalls von Madison stammt, heißt es, das Prinzip der Repräsentation sei zwar auch schon den meisten reinen Demokratien Griechenlands bekannt gewesen, habe aber dort eine ganz andere Bedeutung gehabt als in den Vereinigten Staaten. Der wahre Unterschied zwischen den antiken Demokratien und den amerikanischen Regierungssystemen liege darin, «daß in den letzteren das Volk in seiner Eigenschaft als Kollektiv von jedem Anteil an der Regierung ausgeschlossen ist, und nicht darin, daß in den erstgenannten die Repräsentanten des Volkes gänzlich von der Ausübung der Regierung ausgeschlossen waren.»[ 213 ]
    Nicht der Antike, sondern dem modernen Europa war, wie Madison an anderer Stelle, in «Federalist No. 14», ausführte, das großartige Prinzip der Volksvertretung zu verdanken. Aber in ganz Europa finde sich kein Beispiel für «eine Regierung, die zugleich vom Volk ausgeht und völlig auf dem Prinzip der Repräsentation fußt. Wenn Europa das Verdienst zukommt, diesen wichtigen politischen Mechanismus entdeckt zu haben, durch dessen Wirken der Wille der größten politischen Körperschaft vereinigt und seine Kraft auf jedes Ziel gerichtet werden kann, das dem Gemeinwohl dient, dann kann Amerika das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, diese Entdeckung zur Grundlage von unvermischten und großräumigen Republiken (unmixed and extensive republics) gemacht zu haben.»[ 214 ]
    Die konsequente Durchsetzung des Prinzips der repräsentativen Demokratie war nicht die einzige und auch keine ausreichende Sicherung gegenüber den wechselhaften Stimmungen der Massen. Hamilton, Madison und Jay sahen die Gefahr, daß vor allem eine Gewalt versuchen könnte, alle Macht bei sich zusammenzuballen. Es war nicht die vollziehende und auch nicht die rechtsprechende Gewalt, die aus ihrer Sicht besonders zur Anhäufung von Befugnissen neigte, sondern die gesetzgebende Gewalt. In den Worten von Madison in «Federalist No. 48»: «Da die Legislative allen Zugang zu den Taschen der Bevölkerung hat und in manchen Verfassungen völlige Ermessensfreiheit, in allen aber einen entscheidenden Einfluß auf die finanzielle Entlohnung jener hat, die in den anderen Regierungszweigen beschäftigt sind, ist so bei letzteren eine Abhängigkeit geschaffen, die Übergriffe der Legislative noch weiter erleichtert.» Die Gründer der amerikanischen Republiken hätten bei all ihrer Weisheit dieses Problem nicht erkannt. «Sie scheinen niemals die Gefahr erfaßt zu haben, die auch von Usurpationen der Legislative ausgehen kann, weil bei ihr die Konzentration aller Macht in denselben Händen zu derselben Tyrannei führen muß, wie sie von Usurpationen der Exekutive zu befürchten ist.»
    Als Zeugen für die Richtigkeit dieser Sicht der Dinge zitierte Madison Thomas Jefferson, der zur Zeit der Verfassungsdebatte die Vereinigten Staaten als Botschafter am Hofe König Ludwigs XVI. von Frankreich vertrat. In seinen «Notes on the State of Virginia» hatte Jefferson 1785 geschrieben, die Konzentration aller Gewalten in denselben Händen sei exakt die Definition von Despotie. «Daran ändert sich nichts, wenn diese Gewalten von vielen ausgeübt werden und nicht nur von einem. Wer daran zweifelt, möge seinen Blick auf die Republik Venedig lenken. Ebensowenig wird es uns helfen, daß wir die Despoten selber wählen. Eine auf Wahl beruhende Despotie (an elective

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