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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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mehr als 2500 Einwohnern; 1920 war es über die Hälfte. Die Zahl der Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern stieg von 14 im Jahre 1870 auf 38 im Jahr 1900 und 68 im Jahr 1920. Die Millionenstadt mit ihrer Skyline aus Wolkenkratzern (der erste wurde 1884 in Chicago gebaut, und bald folgte New York mit Manhattan) war bereits um die Jahrhundertwende zu einem Symbol Amerikas geworden.
    Unter den Sozialreformen, für die sich die «progressives» engagierten, standen gesunde Wohnverhältnisse und die Schaffung von Parks und Grünanlagen in den großen Städten obenan. «Settlement houses» wie das von Jane Addams 1889 in Chicago gegründete Hull House versuchten, Immigrantenfamilien die Eingewöhnung in den «American way of life» zu erleichtern. «Progressives» riefen Gesellschaften zur Förderung der Wohlfahrt der Kinder ins Leben und begründeten die Tradition der freiwilligen Sozialarbeit (social work) in ärmeren Stadtvierteln. Nicht alle, aber viele «progressives» unterstützten die antialkoholische Bewegung der Prohibitionisten, die sich mit ihren Forderungen nach dem Ersten Weltkrieg auf nationaler Ebene durchsetzten. Zum Progressivismus gehörte auch das Ziel der Steigerung der Produktivität durch optimale technische Effizienz. Grundlegend hierfür waren die «Principles of Scientific Management», wie sie der Ingenieur Frederick Winslow Taylor, der Begründer des «Taylorismus» und Vater der weltweiten Rationalisierungsbewegung, 1911 in einem Buch mit ebendiesem Titel darlegte: Um Zeit und Kosten zu sparen, galt es, in der Produktion die rationellsten Handgriffe festzulegen, was nur mit Hilfe der Stoppuhr möglich war.
    Im Rahmen des «progressive movement» waren auch viele berufstätige Frauen aktiv, namentlich solche, die in Lehrberufen arbeiteten. (Da das Frauenstudium in den USA, anders als in Europa, keinen Beschränkungen unterlag, gab es hier um 1900 bereits viele Akademikerinnen.) Die zentrale politische Forderung der progressiven Frauen war, neben der vollen bürgerlichen, auch eigentumsrechtlichen Gleichstellung der Frau, die Einführung des Frauenwahlrechts. Bis Ende des 19. Jahrhunderts galt es nur in einem Staat auf nationaler Ebene: in Neuseeland seit 1893. In den USA war es bis 1898 in vier westlichen Staaten, nämlich Wyoming, Colorado, Utah und Idaho eingeführt worden. Dank der Aktivitäten von «Suffragetten» wie Elizabeth Cady Stanton, Susan B. Anthony, Carrie Chapman Catt, Anna Howard Shaw und Alice Paul kamen bis 1914 noch sieben weitere Staaten hinzu. Die Zahl der Mitglieder der American Women Suffrage Association stieg von 13.000 im Gründungsjahr bis auf 2 Millionen im Jahr 1917. Drei Jahre später, 1920, wurde das Frauenwahlrecht durch das 19. Amendment zur Verfassung in der ganzen Union eingeführt. Die volle Emanzipation der Frauen war damit aber noch lange nicht erreicht. Das Stimmrecht für Frauen war nur ein Etappenziel im Kampf um die Gleichberechtigung der Geschlechter.
    Zum «progressive movement» gehörte auch die weiße Bürgerrechtlerin Mary White Ovington, die 1909 zusammen mit schwarzen Bürgerrechtlern um William E. B. Du Bois die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) gründete. Seit dem Ende des Bürgerkriegs war nur wenig geschehen, um die Gleichberechtigung der Rassen, wie sie das 14. Amendment von 1868 versprochen hatte, Wirklichkeit werden zu lassen. Die Schwarzen wurden nicht nur durch die Wahlgesetze und Wahlpraktiken der Südstaaten, sondern auch das höchste amerikanische Gericht diskriminiert: 1896 bestätigte der Supreme Court im Fall Plessy versus Ferguson die Verfassungsmäßigkeit der Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln, wie sie Florida 1887 eingeführt hatte. Mit der Devise «separate but equal» (getrennt, aber gleich) legitimierte der Oberste Gerichtshof die südstaatlichen «Jim Crow Laws», die eine strikte Rassentrennung (oder «Apartheid», wie man später in Südafrika sagte) in Schulen, Restaurants, Kinos, Badestränden und Parks vorschrieben. Schwarze waren auch nach wie vor die häufigsten Opfer der Lynchjustiz in den Südstaaten: Zwischen 1891 und 1900 waren von 1559 Gelynchten 1132 oder 73 Prozent Afroamerikaner; zwischen 1911 und 1920 waren es 554 von 606 oder 91 Prozent. Afroamerikaner durften zwar als Soldaten in Army und Navy dienen, aber während des Krieges mit Spanien waren sie immer wieder Diskriminierungen durch ihre weißen Vorgesetzten und Kameraden ausgesetzt. Die NAACP stellte sich

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