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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Machtposition der Demokratischen Partei war hier so unangefochten, daß man geradezu von Einparteienstaaten sprechen konnte. Auf nationaler Ebene aber gab es ein prekäres Gleichgewicht von konservativen und liberalen oder progressiven Kräften, wobei die letzteren vor allem Arbeiter, Farmer und Immigranten aus Ost- und Südeuropa ansprachen. Auf der demokratischen Convention im Juni 1912 in Baltimore fiel die Entscheidung erst im 46. Wahlgang: Nominiert wurde der Gouverneur von New Jersey und ehemalige Präsident der Universität Princeton, der Professor für Politische Wissenschaft Woodrow Wilson, der zu den entschiedenen «progressives» gehörte. Seine zentrale Wahlparole hieß «New Freedom»; seine schärfsten Angriffe richtete er gegen Monopole und Trusts.
    Aus den Wahlen ging Wilson, auch wenn er nur eine relative Mehrheit für sich gewann, als Sieger hervor. Auf ihn entfielen 41,9, auf Roosevelt 27,4, auf Taft 23,2 und auf den Sozialisten Eugene V. Debs 6,0 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen. Im Wahlmännergremium erhielt Wilson dank der Spaltung der republikanischen Wählerschaft eine breite Mehrheit. Die Republikaner mußten zur Kenntnis nehmen, daß sie durch den harten Ruck nach rechts ihre Wahlchancen selbst zerstört hatten. Für die «Bull Moosers» lautete die Lektion, daß eine «dritte Partei» zwar eine der beiden großen Parteien um den Sieg bringen, aber keine ernsthafte Chance hatte, selbst an die Macht zu gelangen.
    Ins Weiße Haus gelangt, betrieb Wilson eine Politik, die für die Liberalen alles in allem eher enttäuschend war. Er verzichtete auf jedes Engagement zugunsten des Frauenwahlrechts, ließ auf Druck der Südstaatendemokraten die Rassentrennung in Außenstellen von Bundesbehörden wieder zu und behinderte mehrere gesetzgeberische Vorstöße der «progressives». Zu den Errungenschaften seiner ersten Amtsjahre gehörten zwei Gesetze gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht. Die Trusts wurden zwar nicht zerschlagen, ihre Wirkungsmöglichkeiten aber durch den Clayton Antitrust Act von 1914 begrenzt: Sie durften den Wettbewerb nicht dadurch einschränken, daß sie unterschiedlichen Kunden unterschiedliche Preise abverlangten oder geheime Absprachen mit der Konkurrenz trafen oder Vertreter in deren Aufsichtsräte entsandten. Der Federal Trade Act, ebenfalls von 1914, schuf die Federal Trade Commission, die gegen unlauteren Wettbewerb, etwa durch irreführende Werbung, einschreiten konnte.
    Nachdem die Demokraten bei den «midterm elections» von 1914 deutliche Verluste erlitten und die Republikaner dank zurückgekehrter Wähler der «Bull Moosers» ihre Positionen in Senat und Repräsentantenhaus entsprechend verbessert hatten, bemühte sich Wilson wieder verstärkt um die Sympathien der «progressives». Zu Beginn des Präsidentschaftswahljahres 1916 machte er den liberalen Louis Brandeis zum ersten jüdischen Richter am Supreme Court. Im gleichen Jahr unterstützte er ein Gesetz gegen die Kinderarbeit, den Keating-Owen Act, der den zwischenstaatlichen Handel mit Gütern untersagte, die von Minderjährigen hergestellt worden waren. Vor dem Supreme Court fand das Gesetz allerdings keine Gnade: Es wurde 1918 wegen Verstoßes gegen die Verfassung aufgehoben. Der Bund dürfe, so lautete die Begründung, zwar den Handel über die Grenzen der Einzelstaaten hinweg regulieren, nicht aber die Herstellung von Gütern.
    Außenpolitisch trat Wilson, soweit es um den mittelamerikanischen «Hinterhof» der USA ging, in die Fußstapfen seines republikanischen Vorgängers. 1909 und 1912 hatte Präsident Taft, gestützt auf die «Roosevelt Corollary» von 1904, in Nicaragua, einem bevorzugten Gebiet seiner «Dollar diplomacy», interveniert: beide Male, um amerikanische Bürger und Zollämter zu schützen, aber auch, um die von den USA bevorzugte Bürgerkriegspartei zu unterstützen. Die amerikanischen Truppen verließen das Land erst wieder 1925. Wilson intervenierte 1915 mit Hilfe der Marines nach blutigen Ausschreitungen in Haiti und im Jahr darauf, ebenfalls zwecks Niederwerfung von Unruhen, in der Dominikanischen Republik; die amerikanischen Truppen blieben hier bis 1924, auf Haiti sogar bis 1934 im Lande.
    Noch unter Taft hatten sich die USA in den 1910 entbrannten mexikanischen Bürgerkrieg verwickeln lassen. 1911 kam nach dem Sturz des korrupten, aber amerikafreundlichen Präsidenten Porfirio Díaz eine reformgeneigte Regierung unter Francisco Madero an die Macht. Als im Februar 1913

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