Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
eine gewaltige Aufgabe, als sie sich vornahm, den schwarzen Amerikanern zu dem zu verhelfen, was ihnen auf Grund der Verfassung zustand: die Gleichberechtigung mit den weißen Bürgern der USA.
Anfang des Jahres 1909 endete die zweite Amtszeit Theodore Roosevelts. Die Verfassung verbot zwar keine dritte Amtszeit, aber es war ein ungeschriebenes Gesetz, es bei höchstens zwei aufeinander folgenden Amtszeiten zu belassen. Roosevelt war im September 1901 nur deshalb Präsident geworden, weil sein Vorgänger McKinley ermordet wurde. 1904 war er erstmals gewählt worden; wäre er 1908 erneut mit Erfolg angetreten, hätte es sich um seine erste Wiederwahl gehandelt. Roosevelt wollte Präsident bleiben, aber der konservative Flügel der Republikaner verübelte ihm sein gelegentliches Vorgehen gegen die Interessen von «big business» und gab seiner Wirtschaftspolitik die Schuld an der starken, wenn auch nur kurzen Rezession von 1907. Überdies hatte Roosevelt selbst 1904 angekündigt, er würde 1909 aus dem Amt scheiden. Da er nach Lage der Dinge keine Aussichten hatte, erneut von den Republikanern nominiert zu werden, sah er widerstrebend von einer weiteren Bewerbung ab.
Der Kandidat, für den sich seine Partei entschied, war der Jurist William Howard Taft, der von 1901 bis 1904 erster amerikanischer Gouverneur auf den Philippinen gewesen war und 1904 das Amt des Kriegsministers übernommen hatte. Für die Demokraten trat zum dritten und letzten Mal William Jennings Bryan an. Taft gewann mit einem Vorsprung von über einer Million Stimmen. Das Vertrauen, das viele «progressives» in ihn setzten, enttäuschte er jedoch schon bald. Den konservativen Republikanern gelang es, die von Taft angestrebte Zollsenkung zu hintertreiben. Der «Payne-Aldrich Tariff» von 1909 beließ es im wesentlichen bei den extrem hohen Schutzzöllen von durchschnittlich 37 bis 40 Prozent des Warenwerts. Für das Ansehen des Präsidenten bei den «progressives» noch schädlicher war ein Konflikt mit den «conservationists»: Der neue Innenminister Richard A. Ballinger machte riesige Wald- und Berggebiete, die unter Roosevelt für den Naturschutz reserviert worden waren, privaten Investoren zugänglich. Wenig später wurde der Roosevelt nahestehende Gründer und erste Direktor des National Forest Service, Gifford Pinchot, einer der bekanntesten Umweltschützer, entlassen.
Der Kurswechsel in der Umweltpolitik trug wesentlich zum Bruch zwischen Roosevelt und Taft bei. Im September 1910 hielt der Vorgänger des amtierenden Präsidenten in Osawatomie, Kansas, eine kämpferische Rede, in der er sich für einen «New Nationalism» aussprach, worunter er eine starke, zum Eingriff in das Wirtschaftsleben fähige Bundesregierung verstand. Diese sollte auf dem Weg der Gesetzgebung für mehr soziale Gerechtigkeit durch Einkommens- und Erbschaftssteuern sowie Maßnahmen zum Schutz arbeitender Frauen und Kinder sorgen und die Trusts einer scharfen öffentlichen Kontrolle unterwerfen.
Roosevelt dachte zu diesem Zeitpunkt noch nicht daran, sich 1912 erneut um die Präsidentschaftskandidatur zu bemühen. Vielmehr unterstützte er zunächst die seit 1911 von der National Republican Progressive League betriebene Kandidatur eines führenden «progressive», des Senators und ehemaligen Gouverneurs von Wisconsin, Robert La Follette. Im Februar 1912 aber entschied sich Roosevelt, selbst anzutreten. Als Taft sich dank offenkundiger Manipulationen des Parteivorstands bei der Zuerkennung umstrittener Delegiertenmandate auf der Convention in Chicago durchsetzte, brach Roosevelt mit seiner Partei. Mit einem Teil seiner Anhänger gründete er eine neue Partei, die Progressive Party, und ließ sich von ihr als Präsidentschaftsbewerber aufstellen. Seine Bemerkung, er fühle sich für die Kandidatur «fit as a bull moose» (gut in Form wie ein Elchbulle) verhalf der neuen «third party» sogleich zu einem Spitznamen: Ihre Anhänger und Kandidaten waren fortan die «Bull Moosers».
Die Republikaner waren bis 1911 keine rein konservative Partei gewesen; sie hatten neben Interessenvertretern von Großunternehmen und Banken immer auch liberale und progressive Politiker in ihren Reihen gezählt. Das änderte sich mit den Präsidentschaftswahlen von 1912: Die «Grand Old Party» stand seitdem eindeutig rechts von der Mitte. Bei den Demokraten verlief die Entwicklung in umgekehrter Richtung. Zwar gaben in den Südstaaten weiterhin die konservativen «Dixiecrats» den Ton an; die
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