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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Prozeß der Spaltung: Die gemäßigten Kräfte, geführt von Barnave, gründeten im früheren Kloster der Feuillants einen nach diesem Ort benannten neuen Club; zum Sprecher der Radikalen stieg Robespierre auf. Auf dem linken Flügel der Jakobiner standen die Cordeliers, benannt nach ihrem Sitzungsort, einem ehemaligen Kloster der Franziskaner oder Cordeliers, um Georges Danton, Camille Desmoulins und Jean Paul Marat. Ebenso wie der gleichfalls radikale Cercle Social und die Volksgesellschaften, in denen sich vor allem Handwerker und kleine Kaufleute trafen, propagierten sie, unterstützt von Zeitungen wie Marats «Ami du peuple» und Desmoulins’ Zeitschrift «Les révolutions de France et du Brabant», die Staatsform, in der nicht mehr die Bourgeoisie, sondern das einfache Volk das Sagen haben sollte: die demokratische Republik. Nach den Kämpfen auf dem Marsfeld gab es zwar eine Phase der bürgerlichen Repression: Danton begab sich vorübergehend nach England; der «Ami du peuple» stellte bis zum Frühjahr 1792 sein Erscheinen ein. Die Zeit aber arbeitete nicht für die, die nach dem Inkrafttreten der Verfassung die Revolution für beendet hielten, sondern für jene, die sie vorantreiben wollten.
    Die Konstituante hatte mit der Verabschiedung der Verfassung ihr Werk beendet. Am 1. Oktober 1791 trat ihre Nachfolgerin, die «Legislative» genannte neue Nationalversammlung, zur konstituierenden Sitzung zusammen. Sie war auf Grund des Zensuswahlrechts noch vor der Flucht des Königs nach Varennes gewählt worden. Da die Konstituante beschlossen hatte, daß ihre Mitglieder weder für die Legislative kandidieren noch Ministerämter antreten durften, gab es bei den Parlamentariern keinerlei personelle Kontinuität. Aufs ganze gesehen stand die Legislative links von der Konstituante, doch «radikal» war sie nicht. Die «rechten» Feuillants hatten doppelt so viele Mitglieder wie die Jakobiner, die meisten der 745 Abgeordneten aber rechneten sich zur ungebundenen Mitte.
    Die Jakobiner waren auch nach der Spaltung vom Sommer 1791 eine in sich uneinheitliche Gruppe. Nachdem auf Drängen Robespierres viele gemäßigte Jakobiner aus der Provinz in den Club zurückgekehrt waren, bildeten die Anhänger des Abgeordneten Jacques Pierre Brissot eine der einflußreichsten Gruppen unter den Jakobinern. Die «Brissotisten», später auch nach dem Herkunftsdepartement vieler der Abgeordneten «Girondisten» genannt, waren sehr viel «bürgerlicher», das heißt den Reichen gegenüber weniger feindselig eingestellt als Robespierre, von den noch radikaleren Cordeliers ganz zu schweigen.
    Da die Jakobinerklubs seit Oktober 1791 überall in Frankreich, also auch in Paris, öffentlich tagten, wurden die dort geführten Debatten immer wichtiger für die Bildung der öffentlichen Meinung. In voller Öffentlichkeit debattierte und beschloß nun auch, anders als die Konstituante, die Legislative. Die Zuhörer auf den Tribünen waren keine neutralen Beobachter. Sie standen vielmehr meist auf der Seite der Jakobiner und pflegten ihre Meinung lautstark zu äußern. Das hatte bald Auswirkungen auf das Abstimmungsverhalten – vor allem bei den nicht festgelegten Abgeordneten der Mitte.
    Zur überragenden Streitfrage wurde im Spätjahr 1791 die Möglichkeit eines Krieges mit den europäischen Mächten, die sich gegen die Französische Revolution gestellt hatten. Als die eigentliche «Kriegspartei» präsentierten sich nicht etwa die radikalen Jakobiner um Robespierre, sondern die gemäßigten Girondisten um Brissot. Zwar hatte auch der Anwalt aus Arras zunächst, im November 1791, einen Augenblick lang an einen erfolgreichen Revolutionskrieg geglaubt. Aber schon wenige Wochen später, am 12. Dezember, beurteilte er die Aussichten eines Waffenganges so skeptisch, daß er darüber zum entschiedenen Kriegsgegner oder, genauer gesagt, zum Gegner eines Krieges zu diesem Zeitpunkt wurde. Der Meinungswandel hatte seinen wichtigsten Grund in der Haltung des Hofes. Ludwig XVI. war für einen Krieg mit Österreich, weil er sich davon eine Stärkung seiner Stellung versprach: Für den Fall eines Sieges konnte er sich einen Prestigegewinn auf Kosten der Antimonarchisten erhoffen, für den Fall einer Niederlage immerhin die Rettung seines Thrones und eine weitgehende Rückgängigmachung der Revolution.
    Robespierre witterte nicht grundlos die Gefahr eines Zusammenspiels zwischen den im Lande verbliebenen Revolutionsgegnern

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