Geschichte des Westens
Verfassung einen Senat vor, dessen Mitglieder teils vom König ernannt, teils vom Volk gewählt wurden.
Die größte Herausforderung des jugoslawischen Staatswesens war auch unter der Königsdiktatur der kroatische Nationalismus. Anfang 1929 gründete der Zagreber Rechtsanwalt Dr. Ante Pavelic eine zunächst «Domabran» (Heimwehr), dann «Ustascha» («Empörer») genannte terroristische Untergrundorganisation, die die vollständige Unabhängigkeit Kroatiens, also die Zerschlagung Jugoslawiens, zu ihrem Programm erhob und in ihrem Radikalismus wie in ihrer Ideologie der mazedonischen IMRO nicht nachstand. Vom faschistischen Italien und von Ungarn unterstützt, betrieben die Anhänger der Ustascha eine rege Auslandspropaganda. In Kroatien selbst verübten sie seit 1931 Bombenattentate, unter anderem auf den Orientexpreß. Ein Aufstandsversuch im Sommer 1932 schlug mangels bäuerlicher Unterstützung fehl. Geplant war auch ein Anschlag auf König Alexander anläßlich dessen Besuchs in Zagreb im Dezember 1933. Er fand nicht statt, weil der Attentäter zuletzt von der Durchführung absah.
Im Jahr darauf erreichten die kroatischen Extremisten ihr Ziel: Am9. Oktober 1934 wurde König Alexander I. zusammen mit dem französischen Außenminister Louis Barthou in Marseille von einem Angehörigen der IMRO, der im Auftrag einer Exilgruppe der Ustascha handelte, ermordet. An die Stelle Alexanders trat sein minderjähriger Sohn Peter II., der letzte König von Jugoslawien. Die tatsächliche Leitung der Staatsgeschäfte ging an die Regierung über, die seit 1935 von dem Geschäftsmann und Politiker Milan Stojadinovic geführt wurde. Da Frankreich sich dem Belgrader Drängen auf Bestrafung Italiens und Ungarns, der staatlichen Förderer der Ustascha, widersetzte und der Völkerbundsrat keine Sanktionen gegen die beiden Mächte beschloß, näherte sich Jugoslawien in der Folgezeit immer stärker einer Macht an, von der es inzwischen auch wirtschaftlich in hohem Maß abhängig war: dem nationalsozialistischen Deutschland.
Das schwierigste Problem blieb auch unter Stojadinovic der kroatische Nationalismus. Bei den Wahlen vom Mai 1935 erhielt die landesweit auftretende, nach dem Führer der kroatischen Bauernpartei und Nachfolger von Stjepan Radic, Vladko Macek, benannte «Liste Macek» 35,4 Prozent der Stimmen, während die Regierungsliste auf 62 Prozent kam. Infolge der einseitig die Regierungspartei begünstigenden Bestimmungen des Wahlgesetzes entfielen aber auf diese 301, auf die oppositionelle Liste nur 35 Mandate, was Macek und seine Anhänger mit dem Boykott der Skuptschina beantworteten. Bei den Wahlen vom Juli 1938 erzielte die «Liste Macek» sogar 40,2 Prozent, aber noch weniger Sitze als drei Jahre zuvor, nämlich 61 von insgesamt 371. Auf Grund der «Märzverfassung» von 1921 stand das aktive und passive Wahlrecht allen Männern und Frauen zu, die das 21. Lebensjahr vollendet hatten und im Besitz der bürgerlichen Rechte waren.
Auch aus außenpolitischen Gründen, obenan dem im März 1938 erfolgten «Anschluß» Österreichs an das Deutsche Reich, der eine gemeinsame deutsch-jugoslawische Grenze zur Folge hatte, wuchs in Belgrad die Einsicht in die Notwendigkeit einer Verständigung mit der kroatischen Autonomiebewegung. Sie erfolgte im August 1939 unter dem Politiker, der im Februar die Nachfolge von Stojadinovic angetreten hatte: Dragiša Cvetkovic. Kroatien wurde, den Forderungen von Macek entsprechend, in eine Banschaft mit einem eigenen Landtag, einer eigenen Regierung und einem Banus an der Spitze umgewandelt. Die Belgrader Zentralregierung verlor wichtige Kompetenzen und wurde umgebildet: Macek übernahm das Amt des stellvertretendenMinisterpräsidenten in der Regierung Cvetkovic; vier Mitglieder seiner Partei übernahmen wichtige Ministerien. Jugoslawien schien auf dem besten Weg, sich in Richtung einer multinationalen Föderation autonomer Staaten zu entwickeln. Die Probe aufs Exempel konnte aber nicht mehr gemacht werden: Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhinderte die volle Umsetzung des «Sporazum» – des Ausgleichs, den Cvetkovic und Macek im August 1939 vereinbart hatten.
Anders als Jugoslawien war Polen keine Neuschöpfung. Es erlangte nach dem Ersten Weltkrieg die staatliche Unabhängigkeit zurück, die ihm 1795 durch die dritte polnische Teilung genommen worden war. Polen war immer ein Teil des alten lateinischen Westens gewesen, es war im Unterschied zu Jugoslawien nicht
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