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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Industrialisierungsschub, der bis zur Weltwirtschaftskrise anhielt.
    Die ungarische Außenpolitik stand ganz im Zeichen der Revision des Vertrags von Trianon, wobei die Regierung Bethlen zunächst nur die Rückgabe von Gebieten forderte, die von einer mehr oder minder rein ungarischen Bevölkerung bewohnt wurden. Dahinter stand ein ehrgeiziges, von fast allen Parteien, gesellschaftlichen Gruppen und der Öffentlichkeit getragenes Programm: die Wiederherstellung des historischen Ungarn, wie es vor 1914 bestanden hatte. Als mögliche Partner bei der Verwirklichung dieser Vision betrachtete Bethlen das faschistische Italien: Mit ihm wurde im April 1927 ein Freundschaftsvertrag abgeschlossen. Großbritannien hingegen, von Bethlen ebenfalls umworben, ließ sich zu einer ähnlichen Geste nicht bewegen.
    Das Ende der Regierung Bethlen kam im August 1931, als Ungarn im Zuge der Weltwirtschaftskrise an den Rand des Staatsbankrotts geriet. Bethlens Nachfolger, Graf Gyula Károlyi, stürzte im September 1932, weil er für seine rigorose Sparpolitik im Parlament keine ausreichende Unterstützung fand. Zum neuen Ministerpräsidenten ernannte Horthy den ehemaligen Hauptmann Gyula Gömbös de Jákfa, der ihm bei der Niederwerfung des zweiten Restaurationsversuchs Karls I. im Oktober 1920 entscheidend geholfen hatte. Gömbös, der sogleich auch den Vorsitz der nunmehr «Partei der Nationalen Einheit» genannten Einheitspartei übernahm, hatte einen breiten Rückhalt in den Mittelschichten. Er war ein glühender Nationalist und radikaler Antisemit, der aus seiner Sympathie für den italienischen Faschismus (und später auch für den deutschen Nationalsozialismus) keinen Hehl machte. Der Kampf gegen den Vertrag von Trianon wurde seit 1932 zur Richtschnur und zum obersten Ziel der ungarischen Politik erhoben.
    Dabei blieb es auch nach Gombös’ Tod im Oktober 1936 unter seinen beiden Nachfolgern, Koloman Darányi und, seit Mai 1938, Béla Imrédy. Der letztere wurde im Februar 1939 von Horthy zum Rücktritt gezwungen, nachdem ruchbar geworden war, daß eine der Urgroßmütter des Ministerpräsidenten Jüdin gewesen war. Sein Nachfolger Pál Graf Teleki führte im Mai 1939 zwar eine scharf antisemitische Gesetzgebungein, ging aber andererseits entschieden gegen die ungarischen Gefolgsleute der deutschen Nationalsozialisten, die Pfeilkreuzler unter Férenc Szálasi, vor. Sein Versuch, Ungarn auch außenpolitisch auf eine gewisse Distanz zum «Dritten Reich» festzulegen, sollte im Frühjahr 1941 ein tragisches Ende nehmen: Als Horthy und die Militärführung sich gegen den erbitterten Widerstand des Ministerpräsidenten zu Komplizen von Hitlers Überfall auf das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen machten, beging Teleki Selbstmord.
    Noch krisenreicher als in Ungarn verlief die Zeit zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Als das weitaus schwierigste innenpolitische Problem erwies sich das Verhältnis zwischen den orthodoxen Serben und den katholischen Kroaten, die in der Volkszählung von 1921 statistisch in
einer
Nation, der serbokroatischen, zusammengefaßt wurden. Ihr gehörten knapp vier Fünftel der Gesamtbevölkerung an; auf die Slowenen entfielen 8,5 Prozent; dazu kamen kleinere deutsche, madjarische und albanische Minderheiten. (Die Montenegriner, Mazedonier und die muslimischen Bosniaken wurden nicht eigens erfaßt, sondern der serbokroatischen Nation zugeschlagen.) Das Wahlgesetz vom Juli 1920 gab allen männlichen Bürgern über 21 Jahren (unabhängig vom Alphabetisierungsgrad, der 1921 zwischen 91,2 Prozent in Slowenien und 16,2 Prozent in Mazedonien schwankte und im Landesdurchschnitt bei 48,5 Prozent lag) das aktive Wahlrecht; das Verhältniswahlrecht begünstigte die Zersplitterung des Parteiwesens und erschwerte stabile Regierungsmehrheiten. Bis 1928 lösten sich in Belgrad 28 Kabinette ab; keines der Parlamente erlebte das Ende der vierjährigen Legislaturperiode.
    Aus den Wahlen vom November 1920 gingen die zentralistischen Parteien als Sieger und die Föderalisten als Verlierer hervor. Am 28. Juni 1921 wurde die Verfassung des Königreichs mit knapper, serbischer Mehrheit angenommen. Sie fiel, da sich die föderalistische Kroatische Bauernpartei der Mitwirkung an den Beratungen verweigert hatte, noch unitarischer aus, als es nach der Zusammensetzung des Parlaments, der Skupschtina, zu erwarten gewesen war. An die Stelle der

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