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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Italien, nur eine knappe Mehrheit. Mehrere technische Zusatzabkommen, die sogenannten «Nettuno-Konventionen», stießen in der Öffentlichkeit auf so viel Widerstand, daß die Regierung sie zunächst zurückzog. Mussolinis Reaktion bestand im italienisch-albanischen Ausgleichsvertrag vom November 1926 und im Freundschafts- und Schiedsvertrag mit Ungarn vom April 1927, die man beide in Belgrad als gezielte Herausforderungen, ja als Einkreisungspolitik verstand. Der «Adriapakt», der im Januar 1929 auslief, wurde daher, obwohl das Parlament die Nettuno-Konventionen inzwischen doch noch ratifiziert hatte, nicht erneuert. Einen gewissen Ausgleich für den Verlust des Partners Italien hattesich das südslawische Königreich bereits im November 1927 durch einen Bündnisvertrag mit Frankreich verschafft.
    Das Verhältnis zu Bulgarien wurde seit dem Sommer 1926 durch eine Reihe von Überfällen und Anschlägen einer Organisation mazedonischer Freischärler, der IMRO (Innere Revolutionäre Organisation), belastet – Aktionen, die im Jahr darauf zu einer vollständigen Sperrung der Grenze zwischen beiden Staaten führten. Eine deutliche Besserung des bilateralen Verhältnisses trat erst 1934, nach einem Offiziersputsch in Sofia und der kurz darauf erfolgten Ausschaltung der IMRO, ein. Gegenüber Athen gelang es Belgrad nicht, seine Forderungen auf eine Hoheitszone in Saloniki und ein Abkommen zum Minderheitenschutz durchzusetzen. Im März 1929, zwei Monate nach Errichtung der Königsdiktatur, wurde ein Schiedsvertrag mit Griechenland geschlossen, in dem von diesen Zielen keine Rede war und der auch keine Bündnispflichten enthielt. Im Februar 1934 wurden die bisherigen bilateralen Verträge zwischen Jugoslawien, Rumänien, Griechenland und der Türkei in einen vierseitigen Balkanpakt umgewandelt. Fortan waren die Unterzeichnerstaaten zu wechselseitigem Beistand verpflichtet, wenn sich ein Balkanstaat am Angriff eines Nichtbalkanstaates auf einen anderen Balkanstaat beteiligte.
    Unter den gesellschaftspolitischen Problemen ragte auch im König reich der Serben, Kroaten und Slowenen die Agrarfrage hervor. Eine vom Parlament im Mai 1922 beschlossene Enteignung des Großgrundbesitzes gegen Entschädigung traf vor allem die ehedem habsburgischen Gebiete. Ein Viertel der so gewonnenen Fläche wurde neu besiedelt, ein weiteres bewaldetes Viertel wurde in Staatseigentum überführt und rund die Hälfte den bisherigen Pächtern übereignet. Die Probleme der landwirtschaftlichen Überbevölkerung und der Zersplitterung des Bodens in unrentable Klein- und Kleinstbetriebe wurden dadurch ebensowenig gelöst wie in anderen Staaten Südost- und Ostmitteleuropas.
    Die Königsdiktatur Alexanders I. begann 1929 mit der Aufhebung der Pressefreiheit, dem Verbot der politischen Parteien und dem Versuch, mit Hilfe neuer und größerer Verwaltungseinheiten, der Banate (banonina), und einer straffen Zentralisierung des Staatsaufbaus die Bildung einer südslawischen Nation voranzutreiben. Demselben Ziel diente auch der im Oktober 1929 eingeführte neue Staatsname «Königreich Jugoslawien». Doch längst nicht alles, was derKönig plante, wurde verwirklicht: Am Widerstand der orthodoxen Kirche Serbiens scheiterte sein Vorhaben, die Schrift und den Kalender zu vereinheitlichen; es blieb also beim Nebeneinander von lateinischem und kyrillischem Alphabet und von gregorianischem und julianischem Kalender, so daß die großen christlichen Feste weiterhin an unterschiedlichen Tagen gefeiert wurden. Der alte Gegensatz zwischen Ost- und Westkirche, zwischen den byzantinisch und den habsburgisch geprägten Teilen des neuen Staates ging viel tiefer und wirkte sehr viel stärker nach, als die Konstrukteure einer einzigen, der jugoslawischen Nation wahrhaben wollten.
    Im September 1931 erließ Alexander eine neue Verfassung, die zwar einige der bürgerlichen Grundrechte enthielt, das Verbot politischer Parteien aber bestätigte und darüber hinaus die Bildung von Vereinigungen auf religiöser, nationaler und regionaler Grundlage untersagte. Das Wahlgeheimnis wurde beseitigt; das Wahlgesetz schrieb für die Wahl der Skuptschina ein Verfahren auf Grund gesamtstaatlicher Kandidatenlisten und mit einer einheitlichen Mindestzahl an Unterstützern in sämtlichen Wahlbezirken vor, das die stärkste Liste massiv begünstigte (sie erhielt zwei Drittel der Mandate) und der staatlichen Wahlmanipulation breiten Raum ließ. Neben der Volksvertretung sah die

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