Geschichte des Westens
Gewerkschaften Finnlands. Der linke Gewerkschaftsbund, der sich inzwischen von der Kommunistischen Partei losgesagt hatte, wurde im Juli 1930 durch Gerichtsbeschluß verboten. Die Kommunisten sammelten sich in den 1929 gegründeten illegalen Roten Gewerkschaften, denen es aber nicht gelang, größere Arbeitermassen für ihre Demonstrationen auf die Straße zu bringen.
Die Bedrohung von rechts verkörperten im ersten Jahrzehnt nach der Unabhängigkeit die Schutzkorps, die sich zum größten Teil aus der bäuerlichen Bevölkerung, sodann aus Beamten und Angestellten rekrutierten.Wegen der scharfen Polemik eines prominenten Schutzkorpsführers gegen die Politik von Außenminister Rudolf Holsti, der eine enge Zusammenarbeit mit den baltischen Staaten, Polen und den Westmächten anstrebte, entließ Staatspräsident Ståhlberg im Sommer 1921 den Oberkommandierenden der Schutzkorps, Oberst von Essen. Den Vorschlag der Schutzkorps, General Mannerheim zu seinem Nachfolger zu ernennen, wies Kriegsminister Jalander entschieden zurück. Um einen möglichen Staatsstreich der Rechten abzuwenden, bemühte sich der ehemalige Reichsverweser Svinhufvud als Vermittler um einen Kompromiß, der schließlich im September 1921 gefunden wurde: Jalander trat zurück; die Selbstverwaltung der Schutzkorps wurde erweitert und der Jägeroberst Lauri Malmberg zu ihrem Oberbefehlshaber ernannt, der dann bis zur Auflösung der Schutzkorps im Jahre 1944 diese Funktion ausüben sollte.
Im Jahr darauf, am 14. Februar 1922, wurde Innenminister Ritavuori von Rechtsradikalen ermordet: Er war zur Zielscheibe der Nationalisten geworden, die ihm vorwarfen, er habe sich Sowjetrußland gegenüber zu nachgiebig verhalten. Den Hintergrund des Attentats bildete die Krise um Ostkarelien: Dort hatte 1921 ein Aufstand gegen die Sowjetisierung dieses größtenteils finnischsprachigen Gebiets begonnen. Die Erhebung stieß auf starke Sympathien in Finnland und führte zu einer Bewegung für den Anschluß Ostkareliens, ja zum Einsatz finnischer Freiwilliger jenseits der Grenze zu Sowjetrußland. Im Sommer 1922 wurde der Konflikt durch einen Grenzfriedensvertrag mit Moskau vordergründig beigelegt.
Die Ostkarelienfrage spielte auch eine Rolle in dem Machtkampf innerhalb des Offizierskorps, der 1924 zwischen den als konservativ geltenden ehemaligen zaristischen Offizieren und den jüngeren, in Deutschland ausgebildeten Jägeroffizieren entbrannte. Die letzteren genossen die Unterstützung Malmbergs, der 1924 auch das Amt des Verteidigungsministers übernahm. Der Befehlshaber der Streitkräfte, Generalmajor Wilkman, wurde zunächst zu einem längeren Studienaufenthalt im Ausland genötigt. Im Mai 1926 entließ ihn Staatspräsident Relander. Wilkmans Nachfolger wurde der erst sechsunddreißigjährige Jägermajor Aarne Sihvo: ein klarer Sieg der jüngeren und radikaleren Kräfte des Offizierskorps über die älteren und moderateren.
Dafür, daß die Ostkarelienfrage und die Idee einer finnischen Sprachgemeinschaft nicht in Vergessenheit gerieten, sorgte vor allemdie 1922 von Studenten gegründete Akademische Karelien-Gesellschaft (AKS), der es binnen kurzem gelang, die große Mehrheit der finnischsprachigen Studentenschaft hinter sich zu bringen. Außer Ostkarelien rechneten die Propagandisten dieser Vereinigung auch das zu Rußland gehörende Ingermanland, die norwegische Finnmark und das schwedische Västerbotten der großfinnischen Kulturnation zu. Seit 1924 konzentrierten sich die Bemühungen der AKS ganz auf die Zurückdrängung der schwedischen Sprache aus der finnischen Hoch- und Alltagskultur. (Etwa elf Prozent der finnischen Bevölkerung sprachen Schwedisch; von den Studenten der Universität Helsinki war es ein Viertel, von den Professoren die Hälfte.) Den Forderungen der gemäßigten Vertreter der sprachlichen Minderheit trug ein neues Sprachengesetz von 1922 Rechnung, das Festlegungen über den Gebrauch des Schwedischen im Umgang mit Behörden und Gericht sowie auf kommunaler Ebene enthielt. Ein Gesetzentwurf über die Organisationsform der Universität Helsinki wurde auf Betreiben der AKS so abgeändert, daß fortan nur noch eine kleine Minderheit der Professoren auf Schwedisch unterrichten konnte. Das Fernziel der «echtfinnischen» Bewegung mit der AKS als hartem Kern war damit aber noch längst nicht erreicht: ein einsprachiges Finnland.
Wirtschaftlich war Finnland in der Zwischenkriegszeit noch weitgehend von der Landwirtschaft geprägt: 1920
Weitere Kostenlose Bücher