Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
Vom Netzwerk:
waren drei Viertel (75 Prozent), 1940 noch fast zwei Drittel (63 Prozent) der erwerbstätigen Bevölkerung im Agrarsektor beschäftigt. Eine weltweite Agrarkrise schlug hier infolgedessen Ende der zwanziger Jahre voll durch. Vor allem auf dem Lande trat nun die Sprachenfrage vorübergehend wieder hinter den politischen und sozialen Kämpfen zwischen dem «weißen» und dem «roten» Finnland zurück. Im November 1929 wurden bei einer Feier des kommunistischen Jugendverbandes im ostbottnischen Lapua den Teilnehmern von wütenden Nationalisten die roten Hemden vom Leib gerissen. Das war der Ausgangspunkt der stark bäuerlich geprägten Lapua-Bewegung, die sich rasch radikalisierte und bereits im Dezember die seit August 1929 amtierende dritte Regierung Kallio ultimativ zu gesetzlichen Maßnahmen gegen die Kommunisten und alle Vereinigungen aufforderte, die nach Meinung der Petenten gegen das Gesetz und die guten Sitten verstießen.
    Im Januar 1930 kam das Parlament diesem Verlangen weitgehend nach. Eine Einschränkung der Pressefreiheit aber, wie die Lapua-Bewegungsie forderte, lehnte der Reichstag ab, was die rechtsradikalen Aktivisten mit der Zerstörung von Druckmaschinen einer in Vaasa erscheinenden linkssozialistischen Zeitung beantworteten. Der nächste Schritt waren Hunderte von Entführungen von Politikern, Funktionären und Anhängern der radikalen Linken: Sie wurden an die Grenze zur Sowjetunion gebracht, die sie passieren sollten, um sich in ihre angebliche politische Heimat zu begeben. Drei der Entführungen des Sommers 1930 endeten mit dem Tod der Opfer. Gerichtsprozesse gegen die Täter wurden dadurch ad absurdum geführt, daß sich Hunderte von Lapua-Kämpfern für schuldig erklärten.
    Das Kabinett Kallio scheute vor einem energischen Einschreiten zurück, weil es für diesen Fall eine Solidarisierung zwischen Schutzkorps und Anhängern der Lapua-Bewegung fürchtete. Einem drohenden Staatsstreich der äußersten Rechten konnte die Regierung nur noch durch ein vom Vermittler Svinhufvud ausgehandeltes Zugeständnis abwehren: das Versprechen eines endgültigen Verbots kommunistischer Organisationen. Nach der Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes zum Schutz der Republik trat das dritte Kabinett Kallio am 2. Juli 1930 zurück. Zum neuen Ministerpräsidenten ernannte Präsident Relander Pehr Evind Svinhufvud. Unmittelbar nach der Konstituierung des neuen Kabinetts wurden zwei Abgeordnete der Sozialistischen Arbeiter- und Kleinbauernpartei während einer Sitzung des Verfassungsausschusses des Reichstags entführt. Die Regierung erreichte ihre Freilassung nur, weil sie zusagte, ihrerseits alle kommunistischen Abgeordneten verhaften zu lassen.
    Da der Reichstag der Regierung auf ihrem Kampfkurs nicht vorbehaltlos folgte, löste Präsident Relander das Parlament auf und ordnete Neuwahlen für den 1. und 2. Oktober 1930 an. Die eigentliche Gewinnerin war die rechte Sammlungspartei. Die Sozialdemokraten konnten zwar auch einige Mandate hinzugewinnen, aber eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit des Regierungslagers nicht verhindern. Nachdem die antikommunistischen Gesetze angenommen worden waren, verzichtete die Lapua-Bewegung auf den Umsturzplan, den sie für den Fall der Ablehnung vorbereitet hatte.
    Der Herbst 1930 markierte den Höhepunkt der Gefahr, die für die demokratischen Einrichtungen von der Lapua-Bewegung ausging. Als Anhänger derselben im Oktober den ehemaligen Staatspräsidenten Ståhlberg und seine Frau entführten und damit gegen ein von dereigenen Führung erlassenes Verbot solcher Aktionen verstießen, wandte sich die öffentliche Meinung gegen diese Träger einer finnischen Spielart von Faschismus. Der knappe Sieg, den Svinhufvud bei den Präsidentschaftswahlen vom 1. März 1931 errang (151 Wahlmänner stimmten für ihn, 149 für Ståhlberg), entzog der Lapua-Bewegung einen Großteil der bisherigen Angriffsflächen. Svinhufvud übertrug General Mannerheim den Vorsitz des neu organisierten Verteidungsrats. Ein neuerlicher Umsturzversuch der Lapua-Bewegung im September 1931 bekämpfte die Regierung mit den gesetzlichen Mitteln, die sie sich unter dem Druck der äußersten Rechten vom Reichstag hatte bewilligen lassen. Da sich das Gros der Schutzkorps loyal verhielt, konnte die Lapua-Bewegung im März 1932 vom Innenminister aufgelöst werden.
    Die Nachfolgeorganisation, die Vaterländische Volksbewegung (IKL), versprach, sich im Rahmen der Legalität zu bewegen, übernahm

Weitere Kostenlose Bücher