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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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organisierten Arbeitnehmer ihren Höhepunkt – eine Folge vor allem der zuerst von Deutschland, dann von Großbritannien verfügten Einfuhrbeschränkungen (zu denen zuvor aber auch Dänemark selbst seine Zuflucht genommen hatte). Den wachsenden Bedarf an Sozialleistungen finanzierte die Koalition von Sozialdemokraten und Radikaler Venstre zu einem Teil aus Kürzungen des Verteidigungsetats.
    Am 30. Januar 1933, dem Tag, an dem in Deutschland Adolf Hitleran die Macht kam, wurde in der Kopenhagener Privatwohnung von Stauning der «Kanslergade-Vergleich» zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien abgeschlossen: ein Reformwerk mit stark planwirtschaftlichen Zügen, in dem der staatlichen Valutazentrale die Aufgabe der Wirtschaftssteuerung zufiel. Zum Programm von 1933 gehörten ein neues Gesetz über die (teilweise staatsfinanzierte) Arbeitslosenversicherung, ein Gesetz über die Volksversicherung, das die Beiträge zur Alters- und Invaliditätsversicherung erhöhte, und eine Reform der 1922 eingeführten Altersrente («Folkepension») für Dänen, die das 65. Lebensjahr vollendet hatten: Die Höhe der Beiträge bestimmte fortan der Staat. Aus allen Wahlen der dreißiger Jahre gingen die Sozialdemokraten als Sieger hervor. Eine Reform der Verfassung aber, durch die die erste Kammer, das Landsting, abgeschafft werden sollte, konnten Sozialdemokraten und Radikale Venstre nicht durchsetzen: Eine Volksabstimmung im Mai 1939 erbrachte nicht die erforderliche Zustimmung von 45 Prozent der stimmberechtigten Däninnen und Dänen.
    Dänemark war das einzige nordische Land, das sein Territorium im Gefolge des Ersten Weltkrieges vergrößern konnte. Das Königreich erhielt durch eine vom Vertrag von Versailles angeordnete Volksabstimmung im Februar und März 1920 das ganz überwiegend dänischsprachige Nordschleswig zurück, das es 1864 nach dem deutsch-dänischen Krieg verloren hatte. Die Rückgewinnung von «Südjütland», so der dänische Name der Region, bildete psychologisch auch eine Art Ausgleich für den Verkauf der karibischen Jungferninseln (Virgin Islands) an die USA, eine durch Volksabstimmung bestätigte Entscheidung der linksliberalen Regierung des Ministerpräsidenten Carl Theodor Zahle, im Jahr 1917, und die Konstituierung Islands als selbständiger, aber mit Dänemark in Personalunion verbundener Staat am 1. Dezember 1918. Die Insel im Nordatlantik, die sich rühmen konnte, mit dem im Jahr 930 erstmals zusammengetretenen Althing das älteste Parlament der Welt zu besitzen, war 1541 von Dänemark unterworfen worden. 1904 hatte Island das Recht der Selbstverwaltung erhalten. Die neugewonnene Souveränität wurde durch eine Volksabstimmung bestätigt. Während des Zweiten Weltkrieges, im Juni 1944, wurde die Unabhängigkeit vervollständigt: Eine Volksabstimmung hob die Personalunion mit der dänischen Krone auf; Island verwandelte sich in eine Republik.
    Strittig gestaltete sich die Grönlandfrage. Grönland war 1815 nach der Auflösung der dänisch-norwegischen Personalunion bei Dänemark verblieben. Die USA erkannten 1917 die größte Insel der Welt im Zusammenhang mit dem Kauf des dänischen Teils der Jungferninseln als rechtmäßige Kolonie Dänemarks an. Norwegen aber erhob Ansprüche auf die Ostküste Grönlands, wobei Walfanginteressen eine ausschlaggebende Rolle spielten. Ein 1924 abgeschlossener Vertrag zwischen Oslo und Kopenhagen, der den Forderungen norwegischer Walfänger entgegenkam, stellte diese nicht dauerhaft zufrieden. Als die Regierung in Oslo, die von der Bauernpartei geführt wurde, 1931 eine Besetzung der Mygg-Bucht durch eine Gruppe von Norwegern offiziell anerkannte, spitzte sich der Konflikt zu. Dänemark schaltete den Internationalen Gerichtshof in Den Haag ein, der die Besetzungen (1932 war eine zweite hinzugekommen) im April 1933 für rechtswidrig und ungültig erklärte. Die Mehrheit des norwegischen Storting stellte sich auf den Boden des Völkerrechts und damit gegen die eigene Regierung. Damit war dieser innerskandinavische Zwist ausgeräumt.
    Zwölf Jahre zuvor bereits, im Juni 1921, war ein anderer Streitfall zwischen zwei nordischen Ländern ebenfalls auf höherer Ebene entschieden worden: Schweden akzeptierte den Beschluß des Völkerbunds, daß die von ethnischen Schweden bewohnten Ålandinseln bei Finnland verblieben. Die Genfer Entscheidung wurde im gleichen Jahr durch einen von zehn Staaten unterzeichneten Vertrag ergänzt, der die militärische

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