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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Neutralisierung der Inseln festlegte. Unkontrovers war hingegen die Anerkennung des Status von Spitzbergen: Eine Reihe von Ländern, unter ihnen die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und Dänemark, sprachen Norwegen den Besitz der kohlereichen Inselgruppe in der Arktis zu. Die Sowjetunion stimmte vier Jahre später, nach ihrer Anerkennung durch Norwegen, dieser Regelung zu. 1925 nahm Norwegen Spitzbergen offiziell in Besitz.
    Die Zusammenarbeit zwischen den nordischen Demokratien wurde im Verlauf der dreißiger Jahre immer intensiver. 1930 vereinbarten Norwegen, Schweden und Dänemark mit den Niederlanden, Belgien und Luxemburg eine zoll- und handelspolitische Zusammenarbeit, die sogenannte «Oslo-Konvention», der sich 1933 auch Finnland anschloß. Ein gemeinsames Verteidigungsbündnis der nordischen Staaten aber, auf das seit der «Machtergreifung» der Nationalsozialisten inDeutschland Dänemark drängte, kam, da Schweden auf strikter Neutralität beharrte, nicht zustande.
    Was die skandinavischen Länder jenseits aller vertraglichen Vereinbarungen miteinander verband, war eine weithin gemeinsame politische Kultur. Zu ihren Grundlagen gehörten ein freies, selbstbewußtes Bauerntum, eine pragmatische, auf konkrete Verbesserungen drängende Arbeiterbewegung und, nicht zuletzt, eine vom Geist des Luthertums geprägte breite Volksbildung. Es war das Zusammenwirken dieser Faktoren, das Skandinavien nach 1918 zu einer sicheren Heimstatt der Demokratie machte, ja zur Evolution eines neuen, des nordischen Typs von moderner Demokratie führte: einer auf soziale Teilhaberechte und friedlichen Interessenausgleich gestützten Form von «representative gouvernment».[ 20 ]
    Daß die Demokratie sich in Skandinavien während der Zwischenkriegszeit behaupten konnte, war, wenn man die Geschichte der Jahre vor 1918 in Rechnung stellt, keine Überraschung. Erstaunlich war hingegen, daß das parlamentarische System auch in einem Land bestehen blieb, das erst 1921 seine Unabhängigkeit erkämpft hatte und in den folgenden beiden Jahren von einem heftigen Bürgerkrieg erschüttert worden war: im Freistaat Irland. Die politische Stabilisierung des jungen Staates begann 1927, als sich die Partei der ehedem radikalen Republikaner, die Fianna Fáil unter Eamon de Valera, auf den Boden des britisch-irischen Vertrages von 1921 stellte und nach den beiden Wahlen vom Juni und September jenes Jahres, aus denen sie jeweils gestärkt hervorging, die Rolle der parlamentarischen Opposition gegen die Regierung von William T. Cosgrave übernahm.
    Unter Cosgrave, dem Vorsitzenden der konservativen Regierungspartei Cumannnan Gaedheal, hatte Irland 1925 ein Abkommen mit Großbritannien abgeschlossen, das die bestehende Grenze zum britisch gebliebenen Ulster festschrieb. Einen Schwerpunkt der Dubliner Regierungsarbeit bildete in den folgenden Jahren die Pflege der irischen Sprache, die Pflichtfach an den Schulen wurde und von den angehenden Beamten beherrscht werden mußte, den Vorrang des Englischen in großen Teilen des Landes aber nicht überwinden konnte. Außenpolitisch wirkte Irland zusammen mit Kanada und Südafrika auf die Anerkennung der Unabhängigkeit der britischen Dominions durch das Mutterland hin – ein Ziel, das durch die Empirekonferenzvon 1926 und das Westminster-Statut von 1931 schrittweise erreicht wurde. Wirtschaftspolitisch orientierte sich Cosgrave am Freihandel, was dem Absatz irischer Agrarprodukte in Großbritannien, nicht aber der ohnehin noch sehr schwachen Industrie des Landes zugute kam.
    Im Zuge der Weltwirtschaftskrise wuchs die Kritik an der liberalen Handelspolitik der Regierung Cosgrave. Nutznießer des Stimmungsumschwungs war die offen protektionistische Fianna Fáil. Aus den Parlamentswahlen vom Januar 1932 ging sie als stärkste Partei hervor; zusammen mit der Labour Party bildete sie die neue Regierung unter Führung Eamon de Valeras, der bis 1948 immer wieder im Amt des Ministerpräsidenten bestätigt wurde.
    Das Verhältnis zu Großbritannien verschlechterte sich nach dem Wahlsieg der Republikaner dramatisch. Zu den ersten Maßnahmen der Regierung de Valera gehörte die Abschaffung des Treueids auf die britische Krone, den die irischen Abgeordneten bis dahin hatten leisten müssen. Eine andere, sehr viel folgenschwerere Entscheidung war die Einstellung der jährlichen Zahlungen an das Vereinigte Königreich, mit denen die britische Regierung ihre Zahlungen an Großgrundbesitzer bestritt, die im

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