Geschichte des Westens
Partei geworden waren, den Ministerpräsidenten stellen. Doch für ihr sozialistisches Programm gab es keine parlamentarische Mehrheit: Schon nach zwei Wochen wurde die von Christopher Hornsrud geführte Arbeiterregierung durch ein Mißtrauensvotum gestürzt. Das Amt des Regierungschefs übernahm kurz darauf erneut Mowinckel.
Die Weltwirtschaftskrise traf das Schiffahrtsland Norwegen härter als Schweden: Um die Jahreswende 1932/33 waren zeitweilig 42 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer arbeitslos. Die Wahlen von 1930 führten zu einem Rechtsruck. Die politische Führung ging nunmehr in die Hände der Bauernpartei (Bondeparti) über. Unter dem Ministerpräsidenten Peter Kolstad wurde der weit rechts stehende ehemalige Major im Generalstab Vidkun Quisling zum Verteidigungsminister ernannt. Nachdem er 1933 aus dem Kabinett ausgeschieden war, gründete Quisling eine neue, den italienischen Faschisten und den deutschen Nationalsozialisten nacheifernde Partei, die «Nasjonal Samling», die aber weder bei den Wahlen von 1933 noch bei denen von 1936 den Einzug ins Parlament schaffte.
Die Wahlsiegerin von 1933 war die Arbeiterpartei, auf die rund 40 Prozent der Stimmen entfielen. Aber erst zwei Jahre später, im März 1935, konnte sie durch eine Koalition mit der Bauernpartei das bürgerliche Kabinett Mowinckel ablösen. Ministerpräsident wurde der einstige Ziegeleiarbeiter Johan Nygaardsvold, der bis zur deutschen Besetzung Norwegens im März 1940 die Regierung führte. Das Amt des Außenministers übernahm der Historiker Halvdan Koht, das des Justizministers der Jurist Trygve Lie, der in den Jahren 1946 bis 1952 als erster Generalsekretär der Vereinten Nationen weltweites Ansehen gewinnen sollte.
Unter Nygaardsvold, einem erklärten Reformisten, begann auch in Norwegen die Entwicklung eines sozialdemokratisch geprägten Wohlfahrtsstaates. Die Einführung einer Volkspension für alle Norweger, die das 70. Lebensjahr vollendet hatten, fand breite Unterstützung, ebenso 1938 die Arbeitslosenversicherung. Finanziert wurde die neue Sozialpolitik zu einem großen Teil durch höhere Steuern. Die Arbeitslosigkeit sank aber nur langsam: 1939 lag sie noch bei 18 Prozent der organisierten Arbeitnehmer. Die Sozialstruktur Norwegens hatte sich mittlerweile stark verändert, und sie wandelte sich weiterhin – weg von der ländlichen Agrar-, hin zur städtischen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft.1920 waren 36 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung im primären, dem landwirtschaftlichen Sektor und 27 Prozent im sekundären Sektor, also in Handel und Industrie, beschäftigt; drei Jahrzehnte später, 1950, lauteten die entsprechenden Zahlen 26 und 35 Prozent.
Ähnliche Verschiebungen gab es in der Zwischenkriegszeit in Dänemark. Hier waren 1920 33 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung im primären und 29 Prozent im sekundären Sektor beschäftigt; 1940 führte der sekundäre Sektor mit 33 Prozent, während der Primäre auf 29 Prozent zurückgefallen war. Die politische Führung des Königreichs lag seit 1924 meist in den Händen der Sozialdemokraten, die mit Thorvald Stauning den Ministerpräsidenten der Jahre 1924 bis 1926 und 1929 bis 1942 stellten. Schon als Mitglied einer sozialliberalen Koalitionsregierung aus der bürgerlichen Radikalen Venstre und den Sozialdemokraten hatte Stauning, der erste nordische «Arbeitsminister», den Achtstundentag, zumeist in Staatsbetrieben, seit 1920 auch in privaten Unternehmungen durchgesetzt, wie denn die dänische Sozialpolitik in den Bereichen Invalidenversicherung, Arbeitslosenunterstützung und Altersrente auch schon vor 1924 große Fortschritte machte. Das Kabinett, das Stauning im April 1924 bildete, war eine Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten und Politikern der Radikalen Venstre. Ihr gehörte erstmals auch eine Frau, die Historikerin Nina Bang, als Unterrichtsministerin an. Das Hauptproblem der dänischen Innenpolitik bildete nach 1918 die hohe Arbeitslosigkeit. Um die Jahreswende 1925/26 waren rund 30 Prozent der organisierten Arbeitnehmer erwerbslos. Da die von Stauning geplante langfristige Krisenbekämpfung dem bürgerlichen Koalitionspartner als zu «sozialistisch» erschien, schieden die Sozialdemokraten 1926 aus der Regierung aus. Im April gelang ihnen, gestützt auf einen großen Wahlerfolg, unter Staunings Führung die Rückkehr an die Macht. Vier Jahre später erreichte die Arbeitslosigkeit mit etwa 40 Prozent der
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