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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Reichspräsidentenwahl vollzog er eine Kehrtwende. Über seinen ehemaligen Regimentskameraden Oskar von Hindenburg gelang es ihm, dessen Vater, den Reichspräsidenten, davon zu überzeugen, daß ein Verbot von SA und SS politisch nicht opportun sei, weil es zu einem Konflikt zwischen Hindenburg und der Rechten führen müsse. Die Notverordnung unterzeichnete der Reichspräsident zwar widerstrebend, doch zwei Tage später ließ er sich, hinter dem Rücken von Reichswehrminister Groener, vom Chef der Heeresleitung, General von Hammerstein, Material über das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold beschaffen, das aus seiner, Hindenburgs, Sicht diesen republikanischen Wehrverband belastete und ein Verbot rechtfertigte.
    Dazu kam es aber nicht. Der kommissarische Reichsinnenminister Groener schätzte das Material, das aus dem ebenfalls von ihm geleiteten Reichswehrministerium stammte, als belanglos ein und verständigte sich mit dem Führer des Reichsbanners, Karl Höltermann, auf eine taktische Maßnahme: Die Eliteeinheiten des Reichsbanners, die Schutzformationen, kurz «Schufos» genannt, wurden in Urlaub geschickt. Die Notverordnung vom 13. April blieb in Kraft, aber Groener waren im Gefolge der Auseinandersetzungen drei einflußreiche Gegnererwachsen: sein bisheriger politischer Berater Kurt von Schleicher sowie Vater und Sohn Hindenburg.
    Zwei Wochen nach dem zweiten Wahlgang der Reichspräsidentenwahl wurden die meisten Deutschen erneut zu den Urnen gerufen: Am 24. April 1932 fanden in Preußen, Bayern, Württemberg, Anhalt sowie in der Freien und Hansestadt Hamburg Landtagswahlen statt. In allen fünf Ländern erzielten die Nationalsozialisten gewaltige Stimmengewinne; mit der Ausnahme Bayerns, wo die BVP einen Vorsprung von zwei Mandaten halten konnte, wurde die NSDAP überall die stärkste Partei. In Preußen verlor die Weimarer Koalition die Mehrheit, ohne daß die Rechtsparteien NSDAP, DNVP und DVP ihrerseits eine Mehrheit erlangt hätten.
    Zu seiner letzten Sitzung vor der Wahl hatte der alte Landtag am 12. April für diesen Fall vorgesorgt: Mit der Mehrheit der Regierungsparteien – SPD, Zentrum, Deutsche Staatspartei – änderte er seine Geschäftsordnung. Bislang war für die Wahl des Ministerpräsidenten im zweiten Wahlgang eine Stichwahl zwischen den beiden aussichtsreichsten Kandidaten vorgesehen; es reichte also die relative Mehrheit der Stimmen aus. Infolge der Änderung war für den zweiten und jeden weiteren Wahlgang die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Die Wirkung kam der eines konstruktiven Mißtrauensvotums gleich: Der Landtag konnte den amtierenden Regierungschef nur dadurch ablösen, daß er mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen einen Nachfolger wählte. Am 24. Mai trat der neugewählte Landtag zu seiner ersten Sitzung zusammen. Am gleichen Tag erklärte die Koalitionsregierung des Sozialdemokraten Otto Braun ihren Rücktritt – und blieb, da sich keine Mehrheit für die Wiederherstellung der alten Geschäftsordnung fand, geschäftsführend im Amt.
    Am 9. Mai 1932 begann eine viertägige Session des Reichstags. Sie sollte zum unmittelbaren Vorspiel von Brünings Entlassung werden. Den äußersten Anlaß lieferte am 10. Mai Groener mit einer verunglückten Rede, die in einer Flut höhnischer Zwischenrufe aus den Reihen der Nationalsozialisten unterging. Brüning konnte tags darauf mit einer Rede, in der er auf die bevorstehende Reparationskonferenz in Lausanne hinwies und Parlament und Öffentlichkeit ermahnte, «an den letzten hundert Metern vor dem Ziel» nicht die Ruhe zu verlieren, den entstandenen Schaden nur mühsam begrenzen.
    Am 12. Mai gewann die Regierung mit Hilfe der SPD zwar nochmalsalle Abstimmungen. Aber inzwischen war die Reichswehrführung mit Schleicher an der Spitze nicht nur zum Bruch mit Groener, sondern auch zum Sturz Brünings entschlossen. Groener selbst erklärte am 12. Mai öffentlich, er wolle als Reichswehrminister zurücktreten und sich künftig ganz auf das (von ihm nur kommissarisch geleitete) Innenministerium konzentrieren. Das hätte das Einverständnis Hindenburgs erfordert. Doch unter Schleichers Einfluß bestand dieser nunmehr darauf, daß Groener ganz aus der Regierung ausschied. Als der Reichspräsident am 12. Mai zum Pfingsturlaub auf sein Gut Neudeck in Ostpreußen aufbrach, machte er es Brüning zur Auflage, in der Zwischenzeit keinerlei personelle Änderungen vorzunehmen.
    Schleichers Wendung gegen Brüning hatte im

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