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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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besiegten Deutschland gepflegt wurde, fehlten bei der Siegermacht Frankreich wichtige Voraussetzungen.
    Auf der äußersten Linken hatte sich die Kommunistische Partei Frankreichs wie alle Mitgliedsparteien der Dritten Internationale seit 1924 einer strikten «Bolschewisierung» unterziehen müssen und darüber viele ihrer Mitglieder verloren. Im Zeichen der ultralinken Wende, wie sie vom Sechsten Weltkongreß der Komintern im Sommer 1928 beschlossen worden war, grenzte sich auch der PCF verschärft von den Reformisten in der SFIO und CGT ab und mußte dafür den Preis der politischen Isolierung und parlamentarischen Marginalisierung bezahlen. (In der im April 1928 gewählten Kammer gab es freilich ohnehin nur 12 kommunistische Deputierte, 14 weniger als in der vorigen Legislaturperiode.)
    Die vom PCF bewußt herbeigeführten Konfrontationen mit der Polizei brachten die führenden Funktionäre immer wieder vor Gericht und ins Gefängnis. Im Frühjahr 1930 übernahm der einstige Bergarbeiter Maurice Thorez, kurz nachdem er aus dem Gefängnis entlassen worden war, die faktische Parteiführung; 1931 wurde er zum Generalsekretär gewählt. Politische Entscheidungen traf er nur in engster Abstimmung mit dem Beauftragten der Komintern, dem tschechischen Kommunisten Eugen Fried. Bei den «militants» und vielen Arbeitern war der redegewandte Thorez ähnlich beliebt wie Ernst Thälmann in Deutschland. Wie dieser gab er Stalin keinen Anlaß, an seiner Linientreue zu zweifeln.
    Wo die Kommunisten ihren stärksten Massenrückhalt hatten, beiden Arbeitern der «banlieue rouge» um Paris und den Bauern einiger südwestfranzösischer Departements wie dem Corrèze, war das Votum für den PCF vor allem ein sozialer Protest gegen die französische Klassengesellschaft. Der politische Extremismus war bei den französischen Kommunisten schwächer ausgeprägt als bei den deutschen – was vor allem daran lag, daß es in Frankreich weniger Massenelend als in Deutschland und zwar rechtsradikale Strömungen, aber keine faschistische Massenbewegung ab: Der bürgerlich-republikanische Radikalismus der Radicaux war auch in den dreißiger Jahren noch stark genug, um als Barriere gegen eine breite Radikalisierung nach rechts zu wirken.
    Wie alle kommunistischen Parteien hatte auch die französische neben intellektuellen Parteimitgliedern wie dem Mitbegründer der surrealistischen Bewegung, Louis Aragon, eine größere Zahl von intellektuellen Sympathisanten, wobei die meisten von ihnen sich mehr für die Sowjetunion als für den PCF engagierten: am bedingungslosesten Henri Barbusse, der Autor des Antikriegsbuches «Das Feuer» von 1916, mit stärkeren Vorbehalten Romain Rolland, André Gide und André Malraux. Sie alle beteiligten sich seit 1932/33 an der Association des écrivains et artistes révolutionnaires und schrieben für die Zeitschrift dieser prokommunistischen Vereinigung, die «Commune». Die Hinwendung zum Kommunismus hatten bei den meisten von ihnen ihren wichtigsten Grund im Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland. Wer ihn wirksam bekämpfen wollte, konnte das nach der Überzeugung dieser Intellektuellen nur im Bund mit den Kommunisten tun. Die Begegnung mit der Realität des sowjetischen Kommunismus stand ihnen erst noch bevor – nachdem Hitler an die Macht gelangt war.
    Der Aufstieg der Nationalsozialisten und das Erstarken der französischen Rechten waren eine Herausforderung auch für
die
Partei, die bei den Wahlen von 1928 die meisten Stimmen, wenn auch nicht die meisten Mandate erhalten hatte: die Sozialisten. Noch immer galt in der SFIO die Devise, die der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion in der Deputiertenkammer und faktische Parteiführer, Léon Blum, im Januar 1926 auf dem außerordentlichen Parteitag in Paris ausgegeben hatte: Die Ausübung der Macht (exercice du pouvoir) im parlamentarischen System war sorgfältig von der revolutionären Eroberung der Macht (conquête du pouvoir) zu unterscheiden. Die Ausübung derMacht in Form einer Koalition mit bürgerlichen Parteien war für Sozialisten, ganz im Sinn der legendären «Resolution Kautsky», dem Beschluß der Internationale vom September 1900, nur in Ausnahmefällen, wie im Krieg oder zur Abwehr von Gefahren wie Faschismus oder Konterrevolution, vertretbar. Blum zufolge war die Machtausübung gefährlich, weil sie die Arbeiter dazu verleiten konnte, sich von ihr Ergebnisse zu erhoffen, die nur von der Eroberung der Macht zu erwarten waren.
    Wenn

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