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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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des Auswärtigen Amtes, Bernhard von Bülow.
    Im Mai 1930 legte Briand den europäischen Regierungen sein «Memorandum über die Organisation eines Systems europäischer föderativer Union» vor. Es war die ausgefeilte Form von Vorstellungen, die er in einer Rede vom 5. September 1929, noch zu Stresemanns Lebzeiten, im Völkerbund entwickelt hatte: Der französische Außenminister skizzierte in dem Schriftstück seine Vision eines eng kooperierenden Europas souveräner Staaten, die sich in ständiger wechselseitiger Abstimmung auf ihre gemeinsamen wirtschaftlichen und politischen Interessen verständigten,um diese, wo immer möglich, im Völkerbund mit
einer
Stimme zu vertreten. Doch in Deutschland wie in Großbritannien wurde das Projekt, zumindest was den im engeren Sinn politischen Teil betraf, reserviert aufgenommen: in Berlin, weil man sich von den weitergehenden Revisionszielen nichts abhandeln lassen wollte, in London, weil das Commonwealth eine sehr viel näherliegende Form übernationaler Gemeinschaft bildete als ein «föderiertes» Europa. «Naiv» kann man die französische Politik jener Jahre dennoch nicht nennen. Ende 1929 begann der Bau der (nach dem damaligen Kriegsminister benannten) Maginotlinie: eines Systems von Wällen und Festungsanlagen an der Nordostgrenze wie an der Grenze gegenüber Italien, mit dem sich Frankreich für den Fall eines Angriffs von Osten und Südosten her wappnen wollte.
    Die Wirtschaftskrise hatte auch in Frankreich eine politische Radikalisierung zur Folge. Auf der Rechten hatte sich die früheste unzweideutig profaschistische Gruppierung schlechthin, der Faisceau von Georges Valois, im Jahr 1928 wieder aufgelöst. Die Action française und ihr gewalttätig auftretender Stoßtrupp, die Camelots du Roi, bestanden aber ebenso fort wie die Jeunesses Patriotes um den Abgeordneten Pierre Taittinger. Die rechtsradikalen Organisationen hatten im Zuge der wirtschaftlichen und finanziellen Stabilisierung an Zulauf und öffentlichem Widerhall stark eingebüßt. Zu Beginn der dreißiger Jahre änderte sich das Bild. Seit 1931 stieg der vier Jahre zuvor gegründete, seit 1929 von dem Oberst Graf Casimir de La Rocque geführte Frontkämpferbund Croix de Feu zur schlagkräftigsten der rechten «Ligues» auf. Die Feuerkreuzler waren keine Faschisten, wohl aber radikale Nationalisten. Sie genossen die finanzielle Unterstützung von rechts stehenden Industriellen wie François Coty und Ernest Mercier, verdeckt aber auch von einem Politiker wie André Tardieu, der vom März bis Dezember 1930 die Ämter des Ministerpräsidenten und des Innenministers innehatte.
    1933 zählten die Croix de Feu etwa 80.000 Mitglieder, fast durchgängig ehemalige Soldaten, wozu noch 40.000 Jugendliche, die Volontaires nationaux, kamen. Bis 1936 wuchs die Zahl der Feuerkreuzler nach eigenen Angaben auf 2 bis 3 Millionen an. Sie waren paramilitärisch organisiert, bekannten sich als französische Nationalisten und erstrebten ein System, in dem die entscheidende Macht nicht mehr beim Parlament, sondern beim Präsidenten der Republik liegen sollte. Auf einen gewaltsamen Umsturz aber arbeitete der Verband La Rocquesnicht hin. Faschistisch waren hingegen ihrem Selbstverständnis nach der im September 1933 gegründete, von François Coty wie vom Italien Mussolinis finanziell geförderte Bund Francisme und die ebenfalls 1933 entstandene und von Coty unterstützte, paramilitärisch auftretende Solidarité française, die freilich beide nur einige Tausend Gefolgsleute hinter sich scharen konnten.
    Ein bevorzugter Ort für gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Linken waren, wie schon Mitte der zwanziger Jahre, die Universitäten und namentlich die Pariser Sorbonne. Die Jeunesses Patriotes und die Camelots du Roi wetteiferten miteinander bei Kampagnen gegen linke und pazifistische Professoren und die Studenten, die sich zu den Radicaux oder den Sozialisten bekannten. Intellektuelle Unterstützung erhielten die militanten Ligen von «nonkomformistischen» Vereinigungen wie der Jeune Droite und dem Ordre Nouveau, von denen die erste aus der Action française hervorgegangen war, während die Sprecher der zweiten mit sozialistischen Ideen sympathisiert hatten. Zu den publizistischen Organen dieser Gruppierungen gehörten Zeitschriften wie «Cahiers», «Réaction», «Revue Française», «Ordre Nouveau» und «Plans». Den politischen Standort
einer
der Gruppen der jungen Rechten, des Ordre Nouveau, versuchte deren

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