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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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immer noch zu Rußland gehörte. Mitte November 1917 hatten der finnische Gewerkschaftsverband zusammen mit den nach links gerückten Sozialdemokraten und den finnischen Bolschewiki um Otto Kuusinen einen Generalstreik mitdem Ziel der revolutionären Machtübernahme ausgelöst. Den bewaffneten Roten Garden traten auf der Seite der bürgerlichen Unabhängigkeitsbewegung paramilitärische Verbände, sogenannte Schutzkorps, entgegen. Am 6. Dezember beschloß der Landtag, in Übereinstimmung mit der neuen, rein bürgerlichen Regierung unter dem Senatspräsidenten Pehr Evind Svinhufvud, eine formlose Erklärung über die Unabhängigkeit Finnlands. Im Januar 1918 brach der offene Bürgerkrieg aus, an dem sich auf der Seite der «Roten» auch in Finnland stationierte russische, mittlerweile bolschewistische Truppen beteiligten. Ende Januar konstituierte sich nach der nahezu kampflosen Einnahme Helsinkis ein Rat der Volksbeauftragten. Sitz der «weißen» Regierung wurde Vaasa. Svinhufvud, der in Helsinki verblieben war, gelang die Flucht auf einem Eisbrecher ins estländische Tallinn, auf deutsch Reval, von wo aus er sich nach Berlin begab. Ein deutsches Eingreifen in den finnischen Bürgerkrieg auf der Seite der «Weißen» unter ihrem militärischen Führer, Generalleutnant Carl Gustav Mannerheim, war nur noch eine Frage der Zeit.
    Eine nationale Unabhängigkeitsbewegung gab es auch in der Ukraine, vor allem in ihrem Westen. Von den Mittelmächten wurde der ukrainische Nationalismus aktiv unterstützt. Ein «Bund zur Befreiung der Ukraine», eine Organisation sozialistischer Emigranten, die eine selbständige, demokratische und sozialistische Ukraine anstrebten und eine umfassende Bodenreform forderten, erhielt vom Auswärtigen Amt in Berlin großzügige finanzielle Hilfe. Gezielt angeworben wurden von den Deutschen auch ukrainische Kriegsgefangene, in denen man künftige Teilnehmer eines nationalrevolutionären Aufstands sah. Zu dieser Erhebung kam es nicht, auch nicht, nachdem deutsche Truppen einen Teil der westlichen Ukraine besetzt hatten. Aber der Wille zu größerer Selbständigkeit wuchs während des Krieges so stark an, daß sich die Provisorische Regierung im Sommer 1917 genötigt sah, der Ukraine das Recht der Selbstverwaltung zuzugestehen. Vom August ab war die nach der Februarrevolution gebildete «Zentral-Rada», eine Art Vorparlament, das von Petrograd anerkannte Vertretungsorgan der Ukrainischen Volksrepublik. Den ukrainischen Nationalisten waren diese Zugeständnisse an den Autonomiegedanken viel zu wenig. Massiver Druck auf die Zentral-Rada ging auch von den ukrainischen Bolschewiki aus, die ihre Hochburgen im industriellen Osten des Landes hatten. Nach einemmißglückten Umsturzversuch in Kiew riefen sie im Dezember in Charkow eine Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik aus. Zu ihrer Unterstützung marschierten bolschewistische Truppen aus Rußland in die östliche Ukraine ein.
    Auf eine Revolutionierung Mittel- und Westeuropas mochten die Bolschewiki weiter hoffen, aber bis Ende des Jahres 1917 gab es nichts, worauf sie ihre optimistischen Erwartungen stützen konnten. Die deutschen Mehrheitssozialdemokraten, seit langem die schärfsten Kritiker der Partei Lenins unter den Parteien der Zweiten Internationale, begrüßten zwar das Dekret über den Frieden, weil es ein Ende des Krieges näher zu bringen versprach, dachten aber nicht daran, den «Burgfrieden» aufzukündigen. Die USPD zollte der Revolution der Bolschewiki Beifall, ließ es jedoch beim Ruf nach einem allgemeinen Waffenstillstand und einem annexionslosen Frieden bewenden.
    In Frankreich waren die Sozialisten angesichts der Gefahr eines Sonderfriedens zwischen Rußland und den Mittelmächten nicht weniger besorgt als die bürgerlichen Parteien. Die SFIO rückte daher nach der Oktoberrevolution ein Stück weit nach rechts, und sie wäre auf diesem Weg wohl noch weitergegangen, wenn nicht die nationalistische Politik des neuen Kabinetts Clemenceau eine Barriere gegen solche Neigungen gebildet hätte. Eine probolschewistische Stellung bezog lediglich die äußerste Linke: eine kleine Minderheit, die in ihrer radikalen Ablehnung des «imperialistischen Krieges» der Haltung Lenins nahekam. In der britischen Arbeiterschaft war der Widerhall der Oktoberrevolution noch schwächer als in der französischen. Nur bei den «shops stewards», den Betriebsräten, gab es gewisse Sympathien für die Bolschewiki. Die kriegsgegnerische Indepedent

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