Geschichte des Westens
kurzem einen Großteil ihrer Mitglieder.
Außer der British Union of Fascists bekannten sich zwei weitere Organisationen offen zum Faschismus: die 1923/24 entstandenen British Fascists und die 1928 gegründete Imperial Fascist League, von denen die erste die Bewegung um Mosley unterstützte, während die zweite sich durch das plebejische Auftreten der «Blackshirts» abgestoßen fühlte. Die Sympathien für den italienischen Faschismus gingen aber über die Vereinigungen, die sich faschistisch nannten, weit hinaus. Das galt vor allem für die «Neo-Tories» (der Begriff wurde 1945 von George Orwell geprägt) um den Publizisten Douglas Jerrold, seit 1931 Herausgeber der «English Review», die Historiker Charles Petrie und Arthur Bryant, den Nietzsche-Verehrer Anthony Mario Ludovici,den zeitweiligen Chefredakteur des «Everyman», Francis Yeats-Brown, und den konservativen Abgeordneten Viscount Lymington – eine Gruppierung, die vor allem über die genannten Zeitschriften seit Ende der zwanziger Jahre Einfluß auf das intellektuelle Leben des Landes nahm.
Die Neo-Tories bezogen Positionen, die in vielem denen der Autoren der «Konservativen Revolution» in Deutschland ähnlich waren. Mit der intellektuellen Rechten Deutschlands, mit der sie in regem Gedankenaustausch standen, teilten sie ein Merkmal, das der Jeune Droite und dem Ordre Nouveau in Frankreich gänzlich abging: die Verherrlichung des Kriegserlebnisses. Die Kritik der Neo-Tories an Liberalismus und Demokratie war vergleichbar radikal wie die der deutschen Jungkonservativen. Wie diese sahen sie im Parlamentarismus ein überlebtes politisches System, das durch einen straff geführten, autoritären Staat abgelöst werden sollte. Allerdings wollten sie diesem, anders als die meisten deutschen Jungkonservativen, keine plebiszitäre Massenbasis geben, sondern die Monarchie auf Kosten der Volksvertretung stärken. Ihr Ideal war nicht ein charismatischer Führer, sondern ein König von der Art, wie England ihn vor der Glorious Revolution von 1688 gekannt hatte. Eine stärkere Rolle als bei den Autoren der Konservativen Revolution spielte bei den Neo-Tories die Eugenik: Sie war ihre Antwort auf die Furcht vor einer fortschreitenden biologischen Degeneration der britischen Gesellschaft. Ähnlich wie die deutschen waren auch die britischen Jungkonservativen Antisemiten, die gleichzeitig physische Gewalt gegenüber Juden verabscheuten.
Das faschistische Italien faszinierte die Neo-Tories vor allem auf Grund der Entschiedenheit, mit der dieses die Linke in die Schranken verwiesen hatte. Im «stato corporativo» sahen sie, auch darin manchem deutschen Jungkonservativen vergleichbar, eine Alternative zum überkommenen parlamentarischen System. Der eigentliche «Faschismusexperte» der Neo-Tories war Charles Petrie, den Douglas Jerrold 1931 zum außenpolitischen Redakteur der «English Review» machte. Im November 1932 nahm Petrie, zusammen mit Lymington, an einer von der Fondazione Volta veranstalteten internationalen Tagung über den Faschismus teil, zu deren deutschen Teilnehmern neben anderen die Nationalökonomen Werner Sombart und Erwin von Beckerath, der ehemalige Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht und zwei prominenteNationalsozialisten, Reichstagspräsident Hermann Göring und der Chefredakteur des «Völkischen Beobachters», Alfred Rosenberg, gehörten. Petrie hielt einen Vortrag über das Thema «The Fundamental Unity of European Civilization», der ein einziger Angriff auf den Geist der Französischen Revolution war und Mussolinis ausdrückliche Zustimmung fand. Das faschistische Italien in seiner Verbindung von Tradition und Moderne nannte der britische Neo-Tory einen «Mikrokosmos des Kontinents». Seine Gefühle bei der Rückkehr nach Großbritannien umschrieb Petrie als «returning to nonsense from sense» (Rückkehr vom Sinn zum Unsinn).
Bei aller Bewunderung für Mussolini (und bei einigen von ihnen wie Bryant und Yeats-Brown später auch für Hitler) hielten die Neo-Tories doch Distanz zur faschistischen (und erst recht zur nationalsozialistischen) Inszenierung von Politik als Bewegung, zur Mobilisierung der Straße, zur paramilitärischen Uniformierung und zum Kult der Gewalt. Einer Übernahme des faschistischen Systems durch das eigene Land oder irgendeiner Art von gewaltsamem Umsturz redeten sie nicht das Wort. Im Vordergrund stand für die Neo-Tories die Kritik des innenpolitischen Status quo, als dessen Inkarnation sie den stets auf
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