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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Mit dem Einverständnis des Kanzlers hob der Reichstag den Teil der Notverordnung vom 4. September auf, der die Regierung zur weitgehenden Außerkraftsetzung der Tarifautonomie ermächtigt hatte. Ebenfalls in Abstimmung mit der Regierung nahmen die Abgeordneten ein Amnestiegesetz an. Der Reichstag änderte darüber hinaus auf Antrag der NSDAP den Artikel 51 der Reichsverfassung, der vorsah, daß der Reichspräsident im Fall seiner Verhinderung oder der vorzeitigen Erledigung der Präsidentschaft vom Reichskanzler vertreten wurde. Hindenburg hatte am 2. Oktober 1932 seinen 85. Geburtstag begangen. Wenn er während der Kanzlerschaft Schleichers starb oder so schwer erkrankte, daß er sein Amt nicht mehr ausüben konnte, wären die Befugnisse des Reichspräsidenten, des Reichskanzlers und des Reichswehrministers in den Händen
eines
Mannes, des Generals von Schleicher, vereinigt gewesen. Um dies zu verhindern, schlugen die Nationalsozialisten vor, die Stellvertretung dem Präsidenten des Reichsgerichts zu übertragen. Sie erhielten dafür die Zustimmung der meisten bürgerlichen Parteien und der Sozialdemokraten, denen ein weiterer Machtzuwachs Schleichers ebenfalls gefährlich erschien. Mit der notwendigen verfassungsändernden Mehrheit wurde der Antrag am letzten Tag der parlamentarischen Sitzungsperiode, dem 9. Dezember, angenommen.
    Seine Regierungserklärung trug Schleicher am 15. Dezember 1932 über den Rundfunk vor. Darin räumte er der Arbeitsbeschaffunghöchste Priorität ein, betonte seinen Abstand zu Kapitalismus und Sozialismus und verlieh sich selbst das Etikett eines «sozialen Generals». Seinen Amtsvorgänger Franz von Papen nannte er einen «Ritter ohne Furcht und Tadel», distanzierte sich aber gleichzeitig von ihm: «Es sitzt sich sehr schlecht auf der Spitze der Bajonette, das heißt man kann auf die Dauer nicht ohne eine breite Volksstimmung hinter sich regieren.» Die neue Regierung werde sich deshalb das Motto des einstigen Chefs des Großen Generalstabs, Helmuth Graf von Moltke des Älteren, «Erst wägen, dann wagen», zur Richtschnur nehmen.
    Der «Ritter ohne Furcht und Tadel» war nicht der Meinung, daß der «soziale General» ein besserer Kanzler sei als er selbst. Um wieder ins Zentrum der Macht zurückzukehren, tat er sich mit einem anderen Widersacher Schleichers zusammen: Am 4. Januar 1933 trafen sich Papen und Hitler im Haus des Bankiers Kurt von Schröder in Köln. Die Aussprache, die, entgegen den Absichten der Beteiligten, nicht geheim blieb, sondern in den folgenden Tagen für Schlagzeilen in der deutschen und der internationalen Presse sorgte, sollte einen Brückenschlag zwischen dem Führer der Nationalsozialisten und dem Reichspräsidenten und, auch darin waren sich Hitler und Papen einig, zum Sturz Schleichers vorbereiten. Bevor Papen als Vermittler zwischen Hitler und Hindenburg tätig werden konnte, mußte er aber zunächst sein persönliches Verhältnis zu Hitler bereinigen, das seit dem 13. August sehr angespannt war. Nachdem das gelungen war, verständigten sich beide auf eine Art «Duumvirat», wobei freilich zunächst offen blieb,
wer
an die Spitze der neuen Reichsregierung treten würde.
    Seinen Anspruch auf die Kanzlerschaft hat Hitler in Köln mit Sicherheit wiederholt. Papen dürfte nach allem, was wir über seine Haltung im August und November wissen, nicht darauf bestanden haben, daß
ihm
die Führung eines «Kabinetts der nationalen Konzentration» zufallen müsse. Aber die fortdauernden Vorbehalte Hindenburgs gegen einen Reichskanzler Hitler hat er gewiß auch am 4. Januar nicht unerwähnt gelassen. Im weiteren Verlauf der Unterredung schloß Hitler dann offenbar nicht mehr ganz aus, daß es eine zeitweilige Alternative zu seiner Kanzlerschaft geben könnte, nämlich die Übernahme des Reichswehrund des Reichsinnenministeriums durch Nationalsozialisten. Diesen Schluß legen jedenfalls Tagebuchaufzeichnungen von Joseph Goebbels vom 10. Januar 1933 nahe. Entsprechend äußerte sich Papen am 7. Januar in Dortmund gegenüber den führenden Großindustriellen Krupp,Reusch, Springorum und Vögler. Hindenburg gewann aus dem, was ihm der frühere Reichskanzler am 9. Januar berichtete, den Eindruck, daß Hitler nicht mehr auf der Übertragung der gesamten Regierungsgewalt bestehe und mittlerweile zur Teilnahme an einer «rechten» Koalitionsregierung bereit sei. Auf dieser Basis ermächtigte der Reichspräsident Papen, streng vertraulich mit Hitler in

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