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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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und unterzeichnete das Abkommen im Oktober 1930. Im Monat darauf verübte ein nationalistischer Jugendlicher ein Attentat auf Hamaguchi, der im August 1930 an seinen Verletzungen starb. Sein Nachfolger wurde Wakatsuki Reijiro, ein Politiker der Minseito, von dem das Militär weniger Konfliktbereitschaft zu erwarten hatte als von seinem ermordeten Vorgänger.
    Inzwischen hatte die Weltwirtschaftskrise auch Japan voll erfaßt. Die Preise des wichtigsten Ausfuhrartikels, der Rohseide, fielen, bezogen auf das Indexjahr 1914, von 225 Punkten im Jahr 1925 auf 151 im Jahr 1929 und 67 im Jahr 1931. Gleichzeitig sank die Nachfrage nach japanischen Baumwollprodukten. Die Folge waren eine steigende Arbeitslosigkeit in der Textilindustrie und die Verelendung breiter ländlicher Regionen, vor allem im Norden und Nordosten des Inselreiches, aus denen die Armee die meisten Rekruten bezog.
    Die Depression führte auch in Japan zu einer fortschreitenden Radikalisierungdes politischen Klimas. Im Mai 1931 verfaßte Ishiwara Kanji, der seit 1928 für die strategische Planung der (zum Schutz der Eisenbahnzone in der südlichen Mandschurei eingesetzten) Kwantung-Armee verantwortlich war, eine Schrift unter dem Titel «Private Ansicht über die mandschurisch-mongolische Frage». Darin vertrat er die Auffassung, die Mandschurei und die Mongolei seien für die Verteidigung Japans, die Kontrolle Koreas, die Lenkung Chinas und die Rettung der japanischen Wirtschaft von herausragender Bedeutung, und leitete daraus die Folgerung ab, die Annexion der Mandschurei und der Mongolei sei angesichts der internationalen Lage eine Überlebensfrage für Japan: «Die Welt, die nach dem großen europäischen Krieg dabei ist, fünf Supermächte zu bilden, wird ganz sicher weiter voranschreiten und am Ende einem einzigen System angehören. Wo die Kontrolle über das Zentrum dieses Systems liegt, wird in einem Kampf um die Vorherrschaft zwischen dem Repräsentanten des Westens, den USA, und dem Meister des Ostens, Japan, entschieden werden. Deshalb muß unser Land unverzüglich die Grundlagen einer nationalen Politik verwirklichen, indem es sich den Status eines Meisters des Ostens erwirbt. Um die gegenwärtige Lage zu überwinden und die Meisterschaft des Ostens zu erringen, müssen wir unsere Machtsphäre unverzüglich im nötigen Umfang erweitern.»
    Ishiwaras Aufruf zum Handeln blieb nicht folgenlos. Nach gründlicher Vorbereitung inszenierte die Kwantung-Armee am 18. September 1931 einen angeblichen Bombenanschlag chinesischer Banditen auf die Südmandschurische Eisenbahn. Der vorgetäuschte Zwischenfall diente als Vorwand für Angriffe auf Festungen des regionalen Warlords Tschang Xueliang, eines Verbündeten des chinesischen Präsidenten Tschiang Kaischek und Sohnes des ermordeten Tschang Tso-lin, und für die Besetzung mehrerer mandschurischer Städte, darunter Mukden. Die Regierung Wakatsuki war in die Planungen nicht ein geweiht. Ein von der Kwantung-Armee finanzierter Putsch, an dem der Generalstabsoffizier Hashimoto Kingoro und der Ultranationalist Okawa Shumei beteiligt waren, wurde im letzten Augenblick von der Militärpolizei aufgedeckt und vereitelt. Gegen den Willen Kaiser Hirohitos brachte die Kwantung-Armee den 1912 abgesetzten letzten chinesischen Kaiser Pu Yi in die Mandschurei und setzte dort eine Marionettenregierung unter seiner nominellen Leitung ein. Im Dezember trat das Kabinett Wakatsuki zurück. NeuerPremierminister wurde Inukai Tsuyoshi von der Seiyukai. Die Besetzung der Mandschurei durch die Kwantung-Armee ging währenddessen ungehindert weiter.
    Auf der anderen Seite des Pazifiks, in den USA, gab es Meinungsverschiedenheiten über die Frage, wie Amerika auf die japanische Aggression reagieren sollte. Außenminister Stimson sah im Vorgehen der Japaner eine «tödliche Gefahr für die großen Friedensverträge» von 1919/20. Präsident Hoover war im Gegensatz zum Chef des State Department nicht einmal bereit, Japan Sanktionen anzudrohen. Aus seiner Sicht gefährdete die Besetzung der Mandschurei «weder die Freiheit noch die wirtschaftliche oder moralische Zukunft» des amerikanischen Volkes. Immerhin stimmte der Präsident einer Zusammenarbeit mit dem Völkerbund zu, der seinerseits im Dezember 1931 eine Untersuchungskommission unter dem Vorsitz des britischen Diplomaten Victor Lytton einsetzte. Am 7. Januar 1932 verkündete Stimson die nach ihm benannte Doktrin, wonach die Vereinigten Staaten es ablehnten, die

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